Noch sprudelt die Quelle in Newlands in Kapstadt: 25 Liter pro Kopf und Tag darf man mitnehmen.

Foto: Schwikowski

Kapstadt – Am Fuß des Tafelberges in Kapstadt schleppen Menschen leere Kanister durch den Spring Way im Viertel Newlands. Dort, in dichtem Gebüsch, plätschert Quellwasser vom Berg. Und das schon seit Menschengedenken. Jetzt hat die Stadt eine Rohrleitung verlegt, mit mehreren Anschlüssen – zu groß war der Andrang Ende des vergangenen Jahres, als Kapstädter panikartig zur Quelle fuhren und dort frisches Trinkwasser abholten. 25 Liter pro Tag sind erlaubt. Die Menschen stehen auch heute Schlange.

Allerdings geht es friedlich und routiniert zu. Parkwächter haben ihren Job gewechselt und karren jetzt Kanister für jeden, der zahlt, zum Auto. Oder sie verkaufen das Wasser am Straßenrand. Geschäftsmänner, Sportler, Hausfrauen – jedermann stellt sich an. Hunderte am Tag. In einer mobilen Polizeistation beobachten Polizisten das Geschehen, doch Kontrollen gibt es nicht. Manch einer holt mehrere Kanister täglich. Geduldig warten die "Wasserträger" an der Quelle, füllen das kostbare Gut ab und verschwinden wieder.

Rangeleien an der Quelle

Tania Blignault hat es eilig. "Vor ein paar Wochen noch konnte ich mit dem Wagen direkt hier parken, und es gab nur eine Leitung", sagt die blonde Kapstädterin aus dem Wohnort. Die Stunde null, die seit Ende des Vorjahres in Kapstadt immer wieder verschoben worden war, sorgte für Rangeleien an der Quelle und für Aufruhr in der Bevölkerung. Die Angst, auf dem Trockenen zu sitzen, verursachte Panik.

Am Kap herrscht die schlimmste Trockenheit seit hundert Jahren. Südafrika hat die Dürre in Kapstadt und anderen Teilen des Landes zur nationalen Katastrophe erklärt, es gibt strenge Regeln für den Wasserverbrauch. Die rund vier Millionen Einwohner dürfen am Tag nur noch 50 Liter Wasser pro Kopf verbrauchen, das Waschen von Autos und das Nachfüllen der Swimmingpools ist verboten. Wer zu viel Wasser verbraucht, muss mit hohen Geldstrafen rechnen.

Der erste Stichtag für das Abstellen der Wasserhähne in der Mother City – so wird Kapstadt von den Einheimischen genannt – war Mitte April. Dann kam Mai. Danach wurde Juni angepeilt. Aber wie ein Wunder ist nicht das Wasser, sondern der berüchtigte "Day Zero" ausgeblieben. Er ist auf unbestimmte Zeit verschoben: "Day Zero gab es gar nicht", glaubt Tania Blignault. "Wir sollten Wasser sparen lernen. Das Problem der Dürreperiode gibt es überall auf der Welt. Der Unterschied ist, wir leben in der einzigen Stadt, in der eine Stunde null angekündigt worden ist", sagt sie. Kapstadt kam mit einer Warnung davon. Warum eigentlich?

Ausgetüfteltes Wasserverwertungssystem

"Wir haben viel Wasser gespart", antwortet Bilquees Baker. Die Muslimin zieht ihr buntes Kopftuch über ihre leicht gräuliche Haarpracht. Sie sitzt am Küchentisch in ihrem limonengrünen Haus an der winzigen Kopfsteinpflasterstraße. Es gehört zu den farbenprächtigen kleinen Bauten im traditionellen Malaien-Viertel unterhalb des Signal Hill. Das Bo-Kaap beherbergt auf engem Raum viele Abkömmlinge der ehemaligen Sklaven, die in Kapstadt aus Ostindien an Land gebracht worden sind. Baker lebt schon seit Jahren mit einem Weißen und ihren beiden Kindern hier, ein seltenes Paar im traditionellen Bo-Kaap.

"Komm, ich zeig Dir mein ausgetüfteltes Sparsystem", sagt Baker. In der kleinen Toilette im Untergeschoß des schmalen Häuschens herrscht Chaos, aber nur auf den ersten Blick. Der Deckel für den Toilettenkasten fehlt, die Spülung ist abgestellt. Die Waschmaschine steht wie ein Koloss daneben. Auf dem Boden der Dusche reihen sich Kanister an Kanister, leere Coca-Cola-Flaschen an Sprite-Flaschen. "Haben wir alle gesammelt, der Kiosk ist ja um die Ecke", sagt sie und grinst. "An meinen Waschtagen fange ich das Spülwasser aus dem Schlauch der Waschmaschine darin auf. Mit dem Grauwasser aus den Behältern spülen wir die Toilette. In den Infoblättern heißt es ja: Is it yellow, let it mellow. If it's brown, flush it down!"

Wasserpreise verdoppelt

Hinweise zum Wassersparen gibt es überall, auch im Radio und in Broschüren wird aufmerksam gemacht: Jeder Tropfen Wasser zählt. Ja, es ist etwas mühselig, aber Familie Baker hat sich an die Wasserkrise gewöhnt. Auf der Abrechnung wird das leider nicht belohnt, fügt ihr Mann Adam hinzu. Die Wasserpreise sind auf das Doppelte erhöht worden. Er schimpft auf die Regierung des Westkaps, die Demokratische Allianz. "Sie hat versagt und zu spät reagiert."

Die Oppositionspartei, die in Kapstadt das Sagen hat, fragte schon vor einiger Zeit angeblich bei der Regierung um finanzielle Hilfen für die notwendige Verbesserung der Wasserversorgung an. Immerhin ist die Instandhaltung der Dämme die Verantwortung der Regierung. Noch gibt es Wasser im größten der sechs Versorgungsdämme, dem Theewaterskloof-Staudamm in der Nähe von Villiersdorp. Aber der Pegel ist sehr niedrig, er liegt nur noch bei rund elf Prozent, und der Staudamm gleicht einer Wüstenlandschaft.

Kapstadt ist eine Winterregenregion, doch der Regen war in den vergangenen Jahren unverlässlich. Nun hoffen Einwohner und Politiker, dass ab Juni mehr Regen fällt. Nach einer guten Regensaison dürfte das Drama am Kap zunächst abgewendet sein, sagen die Experten. Aber das Problem bleibt: Zu wenige Staudämme, mangelnde Infrastruktur, defekte Wasserrohre, die kaum repariert werden, und überalterte, marode Kläranlagen sind Mitverursacher der Krise.

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Drei Jahre Trockenheit: der Theewaterskloof-Damm bei einem der wichtigsten Wasserreservoirs von Kapstadt.
Foto: Reuters/Hutchings

Gefiltertes Meerwasser

Viele Kapstädter meinen, die Krise war vorhersehbar: Klimaforscher haben errechnet, dass Jahre mit geringen Regenfällen in der Stadt gegenwärtig doppelt so häufig vorkommen wie noch vor einem Jahrhundert. Eine derartige Dürre, die bereits seit dem Jahr 2014 anhält, haben sie allerdings nicht erwartet. "Die Regierung muss handeln, die Präsidentschaftswahlen 2019 stehen vor der Tür, und jetzt wälzen sie alle Schuld an der Misere aufeinander ab", ärgert sich Adam.

Jetzt werden für teures Geld Entsalzungsanlagen am Kap gebaut. Die erste der drei geplanten Anlagen soll schon in den nächsten Tagen an der Waterfront das Salz aus dem Meerwasser filtern.

Die für Wasser zuständige Stadträtin Xanthea Limberg ist optimistisch. Die Kapstädter hätten wirklich Wasser gespart und die Landwirte in der Region ihre Wasserrationen für die Saison ausgeschöpft, sagt sie. Jetzt will die Stadt die Krise nutzen: Kapstadt soll zum Vorbild für viele andere Städte werden, die vom Klimawandel betroffen sind. Die globale Erwärmung sei Realität, sagt Limberg.

2030 kein Wasser mehr

Selbst wenn die Dürre der vergangenen Jahre ein seltenes Phänomen war und es in diesem Jahr wieder mehr regnen sollte – mittelfristig muss sich Kapstadt auf ein trockeneres Klima einstellen, sagt die Stadträtin. Südafrika wird 2030 kein Wasser mehr haben, lautet die nach einer Drohung klingenden Aussage des "Masterplans" der Regierung, der im Mai dem Kabinett vorgestellt werden soll.

Laut Plan sollen 866 Milliarden Rand (60 Milliarden Euro) in den nächsten zehn Jahren in die veraltete Wasserwirtschaft investiert werden. Also geht das Sparen weiter, und die Preise steigen auch. Durch die Einschränkungen mussten zahlreiche Gärtnereien und Autowaschanlagen ihr Geschäft aufgeben. Auch die Obsternte könnte um 20 Prozent zurückgehen, die Weinernte um fünf Prozent, erwarten Fachleute. Rund 50.000 Arbeitsplätze sollen aufgrund der Dürre bedroht sein. (Martina Schwikowski, 30.4.2018)