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Einwanderersohn, Finanzjongleur, Millionär: Der neue starke Mann im Kabinett von Premierministerin Theresa May ist Sajid Javid. Mittlerweile würde er nicht mehr für den Verbleib in der EU stimmen.

Foto: AP / Dominik Lipinski

Bilder sagen bekanntlich mehr als Worte. Im Fall des neuen britischen Innenministers Sajid Javid verdeutlichten die Titelseiten vieler Londoner Zeitungen am Dienstag zwei Kerncharakteristika des neuen Mannes im Kabinett von Premierministerin Theresa May. Zum einen verkörpert der Sohn armer pakistanischer Einwanderer allein durch seine Hautfarbe die multikulturelle, sozial durchlässige Leistungsgesellschaft auf der Insel. Zum anderen stand Javid im Maßanzug mit weit auseinanderstehenden Beinen vor seinem neuen Ministerium und machte mit der albernen Pose sein überbordendes Selbstbewusstsein deutlich – nicht zuletzt gegenüber seiner Chefin in der Downing Street.

Denn inhaltlich muss der neue Mann sich als Erstes von seinen beiden Vorgängerinnen im schwierigen Innenressort, May und zuletzt Amber Rudd, distanzieren. Bei seinem ersten Auftritt im Unterhaus verwarf der neue Minister umgehend die bisher propagierte Feindseligkeit gegenüber Migranten aus dem Commonwealth: Schließlich hätte sich diese gegen seine Eltern oder Geschwister, "auch gegen mich selbst", richten können.

Javids Vater kam mit 17 mit einer Barschaft von einem Pfund ins Land, verdingte sich als Busfahrer und erwarb schließlich ein kleines Bekleidungsgeschäft. Der Sohn besuchte eine mittelmäßige Staatsschule, schaffte aber den Sprung auf die Uni zum Studium der Ökonomie und Politik und begann eine Karriere in der City of London. Als Abteilungsleiter bei der Deutschen Bank war er unter anderem für die hochspekulativen Finanzderivate CDOs zuständig.

Wilde Träume

Dem globalen Finanzcrash entkam der Investmentbanker unbeschadet, indem er für die Tories einen sicheren Wahlkreis bei Birmingham eroberte. Ob sie sich in ihren wildesten Träumen hätte ausmalen können, dass er es einmal ins Parlament schaffen würde, will Javid einem gern erzählten Witz zufolge damals seine Frau Laura gefragt haben. "In meinen wildesten Träumen kommst du gar nicht vor", lautete angeblich ihre trockene Antwort.

Humor und seine Hautfarbe, eiserne Disziplin und die Protegierung durch den früheren Finanzminister George Osborne katapultierten den Millionär rasch ins Kabinett, zunächst als Kultur- und Wirtschaftsminister, zuletzt im schwierigen Kommunal- und Wohnungsbauressort. In der wichtigsten Frage britischer Politik, dem Verhältnis zur EU, stimmte der Vater von vier Kindern "schweren Herzens" für den Verbleib. Seither hat sich Javid bei seiner mehrheitlich EU-feindlichen Partei mit der Bemerkung beliebt gemacht, bei einer neuerlichen Volksabstimmung würde er den Brexit befürworten.

Ober- und Unterhaus wollen Zollunion

Das ist von großer Bedeutung, schließlich galt seine Vorgängerin Rudd neben Finanzminister Philip Hammond als wichtigste Befürworterin einer engen Beziehung zu Brüssel. Bereits am Mittwoch soll ein Kabinettsausschuss klären, ob Großbritannien, wie von May beteuert, die Zollunion verlassen will. Dagegen wehrt sich das Oberhaus, das der Regierung am Montag bereits die neunte Abstimmungsniederlage bescherte. Auch im Unterhaus dürfte es eine Mehrheit für eine Zollunion mit der EU geben, die Labour-Opposition sowie rund ein Dutzend europafreundlicher Tories eingeschlossen.

Wie sich Javid dazu positioniert, könnte den Ausgang des regierungsinternen Tauziehens entscheidend beeinflussen. (Sebastian Borger aus London, 1.5.2018)