Minister Norbert Hofer (FPÖ) und Juliane Bogner-Strauß (ÖVP) verteidigen die Kürzung der Familienbeihilfe für Osteuropäer: Ein ungarisches Kind bekommt nur mehr 93,61 statt 172,40 Euro.

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Wien – Es kann als Versprechen verstanden werden – vonseiten der Gegner aber wohl auch als Drohung: "Sie werden erleben, dass die Regierung an Fahrt aufnimmt", kündigte Norbert Hofer, Verkehrsminister und FPÖ-Regierungskoordinator, nach dem Ministerrat am Mittwoch an. Neue Vorhaben hätten naturgemäß eine gewisse Vorlaufzeit gebraucht, aber nun stehe eine Reihe von Gesetzen zum Beschluss an.

Österreichs Regierung zufolge soll die Familienbeihilfe für im Ausland lebende Kinder an das Preisniveau der Staaten angepasst werden.
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Eines davon hat der Ministerrat abgenickt: Wie vielfach angekündigt, wird die Regierung die Familienbeihilfe für Kinder im EU-Ausland an das jeweilige lokale Preisniveau anpassen. Das Gesetz zu dieser sogenannten Indexierung soll im zweiten Halbjahr vom Parlament beschlossen werden und Anfang 2019 in Kraft treten.

Ab dann ist freilich mit Einspruch zu rechnen: Die EU-Kommission hat Österreich vor einem Monat gemahnt, dass mobile Arbeiter denselben Anspruch auf Kindergeld wie lokale Arbeitnehmer hätten, "unabhängig vom Wohnort der betroffenen Kinder" – und angekündigt, dass Österreichs Indexierung geprüft wird, "wenn und sobald sie angenommen wurde". Dies wurde am Mittwochnachmittag umgehend bekräftigt. Offiziell gibt man sich in Brüssel abwartend und zurückhaltend, am Ende droht Österreich aber ein Vertragsverletzungsverfahren. "Die Europäische Kommission wird den Vorschlag mit Blick auf seine Vereinbarkeit mit EU-Recht prüfen, sobald er angenommen wird", lautete am Mittwoch der knappe Kommentar von Christian Wigand, Sprecher der zuständigen EU-Sozialkommissarin Marianne Thyssen, zum Regierungsbeschluss in Wien. Nach Meinung etlicher Fachjuristen (DER STANDARD berichtete) widerspricht der heimische Plan schlicht und einfach dem EU-Recht.

Von Kritik unbeeindruckt

Die Regierung hat an ihrem Entwurf vor dem Beschluss im Ministerrat dennoch nichts mehr Substanzielles geändert. Ministerin Juliane Bogner-Strauß (ÖVP) zeigt sich entgegen aller Kritik überzeugt, dass der Entwurf das Europarecht nicht verletze. Die Familienbeihilfe sei kein Gehaltsbestandteil, sondern eine Sozialleistung, die Lebenshaltungskosten zum Teil abgelten soll, argumentiert sie. Da sei es nur logisch, das Niveau an die ortsüblichen Kosten anzupassen.

Gerecht sei das obendrein, ergänzt Hofer und weist darauf hin, dass die EU ein solches Modell bereits einmal beschlossen habe – nur könnten sich einige Länder nun nicht mehr daran erinnern. Worauf der stellvertretende FPÖ-Chef anspielt: Um die Briten vom Austritt aus der Union abzuhalten, hatte die EU tatsächlich eine derartige Zusage erteilt. Die Koalitionäre führen auch ins Treffen, dass die EU die Gehälter ihrer Beamten selbst ans ortsübliche Niveau anpasse.

Ungarn verlieren, Belgier gewinnen

Konkret sollen Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für in Österreich arbeitende EU-Bürger, deren Kinder im EU-Ausland, in EWR-Ländern oder der Schweiz leben, anhand eines Eurostat-Indikators an das Preisniveau des jeweiligen Landes angepasst werden. Dann wird es für ein Neugeborenes ohne Geschwister in Ungarn laut Beispielen der Regierung nur mehr 93,61 statt 172,40 Euro geben, für eines in Griechenland nur mehr 136,54 Euro. Wer in Belgien lebt, steigt mit 175,5 Euro hingegen geringfügig besser aus. In jenen Ländern, wo es Kürzungen setzt, zahle Österreich durch die Bank aber immer noch mehr, als die dortigen Regierungen an Familienbeihilfe gewährten, sagt Bogner-Strauß.

2016 zahlte Österreich 273 Millionen Euro für rund 132.000 in anderen EU/EWR-Staaten oder der Schweiz lebende Kinder, deren Eltern in Österreich arbeiten. 100 Millionen Euro davon glaubt die Familienministerin dank der Indexierung einsparen zu können.

Die Opposition hat die Kürzung der Familienbeihilfe für im EU-Ausland lebende Kinder massiv kritisiert – und vor den Auswirkungen für die Pflege gewarnt. Es wäre schwer abzusehen, wie es ohne die tausenden slowakischen Krankenschwestern und Pflegerinnen im österreichischen Pflegebereich aussehen würde, hatte auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen im Februar beim Besuch seines slowakischen Amtskollegen angemerkt – und sich wegen möglicher "europarechtlicher Schwierigkeiten" besorgt gezeigt.

Der größte Anteil der ins Ausland überwiesenen Familienbeihilfe ging 2016 nach Ungarn (80 Millionen Euro), an in Österreich berufstätige Eltern aus der Slowakei wurden 63 Millionen überwiesen, nach Polen flossen gut 38 Millionen und nach Rumänien rund 32 Millionen Euro. (Gerald John, APA, 2.5.2018)