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Stephen Hawking bei einem Vortrag über den Ursprung des Universums im Jahr 2007.

Foto: REUTERS/Francois Lenoir

Wien – Als der Astrophysiker Stephen Hawking am 14. März im Alter von 76 Jahren in Cambridge starb, hinterließ er der Nachwelt eine letzte Theorie, die noch nicht publiziert war. Dieser Tage ist die Abhandlung, die er gemeinsam mit dem belgischen Fachkollegen Thomas Hertog (Katholische Universität Löwen) verfasste, im "Journal of High Energy Physics" erschienen – und verspricht eine "einfachere Theorie" des Universums.

In dem Fachartikel mit dem Titel "A smooth exit from eternal inflation?" behandeln die Theoretiker das zentrale Phänomen unmittelbar nach dem Urknall: Nach wenigen Sekundenbruchteilen blähte sich unser Universum extrem schnell auf, was in der Astrophysik als "Inflation" bezeichnet wird. Und nach der gängigen Theorie vieler Kosmologen hält diese Inflation dank Quanteneffekten ewig an und kam nur in einigen "Taschen" des Universums zum Stehen.

Ist das Multiversum ein unendliches Fraktal ...

"Die übliche Theorie der ewigen Inflation sagt voraus, dass unser Universum global wie ein unendliches Fraktal ist, mit einem Mosaik aus verschiedenen Taschenuniversen, getrennt durch einen aufblähenden Ozean", sagte Hawking dazu in einem Interview im letzten Herbst. Der beobachtbare Teil unseres Universums wäre demnach nur ein gastfreundliches Taschenuniversum, eine Region, in der die Inflation beendet ist und sich Sterne und Galaxien bilden konnten.

... oder doch viel einfacher?

Auf Grundlage der Stringtheorie legen Hawking und Hertog in der neuen Veröffentlichung nun dar, dass diese Vorstellung der ewigen Inflation als eine Theorie des Urknalls falsch sein dürfte. "Das Problem mit der üblichen Beschreibung der ewigen Inflation ist, dass sie ein existierendes Hintergrunduniversum annimmt, das sich gemäß Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie entwickelt und die Quanteneffekte als kleine Fluktuationen um diese herum behandelt", so Hertog.

Thomas Hertog im Interview über den Aufsatz und die neue Theorie.
European Research Council

"Wir sagen voraus, dass unser Universum auf den größten Skalen relativ glatt und global endlich ist. Es ist also keine fraktale Struktur", sagte Hawking, als er letzten Herbst auf die neue Theorie zu sprechen kamen.

Diese behauptet zudem, zuverlässigere Vorhersagen über die globale Struktur des Multiversums ableiten zu können. Ihren Annahmen zufolge ist dieses endlich und viel einfacher als die unendliche fraktale Struktur, die von der alten Theorie der ewigen Inflation vorhergesagt wurde. Das hätte logischerweise weitreichende Implikationen für das Multiversum-Paradigma.

Mögliche empirische Überprüfung

Hertog plant nun, die Folgen der neuen Theorie auf kleineren Skalen zu untersuchen, die sich in Reichweite unserer Weltraumteleskope befinden. Er glaubt, dass die ursprünglichen Gravitationswellen – Wellen in der Raumzeit – am Ausgang der ewigen Inflation die günstigste "smoking gun" sind, um das neue Modell zu testen und im Idealfall zu bestätigen.

Solche Gravitationswellen hätten sehr lange Wellenlängen außerhalb des Bereichs der aktuellen Ligo-Detektoren. Aber sie könnten von dem geplanten europäischen Weltraum-Gravitationswellen-Observatorium Lisa gehört werden oder in zukünftigen Experimenten zur Messung des kosmischen Mikrowellenhintergrunds gesehen werden. (Klaus Taschwer, 2.5.2018)