Nach Ansicht des türkischen Präsidenten Tayyip Erdoğan, hat das griechische Militär 1922 während des griechisch-türkischen Krieges bei seinem Abzug die Stadt Smyrna (türkisch Izmir) selbst in Brand gesetzt.

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Ankara/Athen – Der türkische Präsident Tayyip Erdoğan hat mit umstrittenen Äußerungen zu einem historischen Thema neue Spannungen mit Athen provoziert. Im Zuge eines schwelenden Streits um kleine unbewohnte Inseln in der Ägäis erklärte Erdoğan in einer Rede am Wochenende, dass Griechenlands Militär 1922 während des griechisch-türkischen Krieges bei seinem Abzug die Stadt Smyrna (türkisch Izmir) selbst in Brand gesetzt habe.

Der "Brand von Izmir" wird von der griechischen Seite auch "Katastrophe von Smyrna" genannt. Es handelte sich um ein verheerendes Feuer, das am Ende des Krieges im September 1922 die armenischen und griechischen Viertel der heute türkischen Hafenstadt Izmir vernichtete. Durch dieses Ereignis verlor die Jahrtausende alte Stadt ihr unter der osmanischen Herrschaft gewonnenes multikulturell und kosmopolitisch geprägtes Bild. Der Ablauf der Ereignisse ist historisch umstritten.

Plünderungen und Massaker nach Abzug der Griechen

Als wahrscheinlichste Variante wird angenommen, dass der Brand im Zuge von Plünderungen und Massakern der türkischen Zivilbevölkerung und Soldaten an christlichen Armeniern und Griechen gelegt wurde, nachdem die Griechen abgezogen waren. Die griechische Stadtverwaltung hatte die Stadt am 7. September verlassen, danach begannen Plünderungen. Am 9. September waren noch griechische Soldaten vor Ort, einen Tag später übernahm die türkische Armee die Kontrolle. Am 13. September begann der Brand gegen Mittag im armenischen Viertel und breitete sich dann aus.

Die Massaker an der christlichen Zivilbevölkerung wurden von türkischer Seite als Racheaktionen für vorangegangene Gräueltaten der griechischen Invasionsarmee und der christlichen Bevölkerung an osmanischen Mitbürgern gerechtfertigt. Griechenland hatte die Stadt seinerseits im Mai 1919 nach der osmanischen Niederlage im Ersten Weltkrieg eingenommen. Der Anteil der griechischen Bevölkerung stieg damals rasant. Unmittelbar nach Beginn der griechischen Invasion waren türkische und andere muslimische Zivilisten der Region durch die griechischen Truppen umgebracht worden.

Empörung in Griechenland

Dass Erdoğan nun aber die Griechen auch für das Feuer von 1922 verantwortlich machte, löste heftige Reaktionen in Griechenland aus. Staatspräsident Prokopis Pavlopoulos stellte fest, dass ein Politiker, der seine Worte nicht im Zaum habe, nicht als großer Staatsmann gelten könne. Pavlopoulos rief Erdoğan auf, die griechische Geschichte zu respektieren und auf keinen Fall die griechisch-türkischen Beziehungen zu beschädigen. "Wir sind ein Volk und eine Nation des Friedens", betonte das Staatsoberhaupt, aber "wir werden nicht den kleinsten Teil griechischen Territoriums, unserer Grenzen oder der Hoheitsrechte abtreten."

Die Äußerung kommt im andauernden Streit zwischen Athen und Ankara um derzeit zu Griechenland gehörende Ägäis-Inseln, die in der Nähe des türkischen Festlands liegen. Eine Reihe dieser Inseln sei in Wahrheit Bestandteil des türkischen Staates, hatte Erdoğan wiederholt betont. "Diese Inseln vor unserer Nase gehören uns. Wir haben dort Denkmäler, Moscheen und eine Geschichte."

"Fanatische Wahlkampfrhetorik"

Die konservative Oppositionspartei Nea Dimokratia warnte, dass durch diese Äußerungen Erdoğans die Beziehungen der beiden Staaten und Völker gestört werden könnten. Ähnlich reagierte die Mitte-links-Partei "Bewegung der Veränderung" (Kinima Allagis). Erdoğan verdrehe mit seiner "fanatischen Wahlkampfrhetorik" die gemeinsame Geschichte.

In den vergangenen zwei Jahren haben sich die griechisch-türkischen Beziehungen deutlich angespannt. Auslöser dafür war die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs Griechenlands, jene acht türkischen Militärs nicht auszuliefern, die in der Nacht des Putschversuchs im Juli 2016 mit einem Hubschrauber in die Grenzstadt Alexandroupoli geflohen waren und Asyl beantragt hatten. Später wurden zwei griechische Soldaten nach dem unerlaubten Überschreiten der Grenze zur Türkei festgenommen und wegen des Vorwurfs der Spionage von den türkischen Behörden inhaftiert. (APA, red, 3.5.2018)