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Nur Analphabeten würden Oz der Israelfeindlichkeit bezichtigen, sein Buch ist eine Liebeserklärung an sein Land und sein Volk.

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Amos Oz, "Liebe Fanatiker. Drei Plädoyers". € 10,30 / 423 Seiten. Suhrkamp, 2018

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Wer am Strand in Tel Aviv sitzt, hat den Eindruck in "Eretz Israel", also im ersehnten Land, angekommen zu sein. Am 18. April, dem 70. Unabhängigkeitstag Israels, joggten an der Strandpromenade Legionen muskelbepackter Jogger, wichen orthodoxen Familien mit ihren vielen Kindern aus und schwule Paare drängelten sich mit Kinderwägen auch noch dazwischen. Durch die Menge der Fußgänger bahnten sich Fahrradfahrer, Skateboarder und Elektrorollerbesitzer geschickt ihren Weg.

Sämtliche Sprachen der Welt waren durch das Rauschen der Wellen zu hören: Russisch, Französisch, Englisch. Keiner war schlechter Laune. "Ich liebe Israel", schreibt der israelische Schriftsteller Amos Oz, Jahrgang 1939, und sieht in der Stadt Tel Aviv die Idee einer toleranten, weltoffenen Gesellschaft, die er massiv in Gefahr sieht. Oz macht sich Sorgen um Israel, sieht seine Heimat in existenzieller Gefahr. Nicht durch die Araber, wie die politische Propaganda nicht müde zu betonen wird, sondern vor allem durch die widerstreitenden inneren Kräfte im Land. Oz meint die vielen Eiferer in den eigenen Reihen.

Auf Apartheidspolitik zusteuern

Mit dem Begriff Fanatiker bringt er die Feinde seiner Heimat auf einen gemeinsamen Nenner, meint die Hamas von außen genauso wie die Vertreter der politischen Parteien, die auf eine Apartheidspolitik zusteuern, die orthodoxen Rabbis, die gegen jede Form einer aufgeklärten Gesellschaft wettern, und vor allem die militanten Siedler, die sich mit brutalem Sendungsbewusstsein nicht an Abmachungen halten.

Friede, so Oz' These, ist für diese Gruppen längst kein Ziel mehr. "Fanatiker diskutieren nicht, je komplizierter die Fragen werden, umso einfacher werden ihre Antworten", beobachtet er, weil er es jeden Tag erlebt und nicht hinnimmt. Als Mahner für den Frieden wird er schnell in die politisch linke Ecke verbannt und von den Fanatikern sogar als Antisemit beschimpft.

Das Buch ist dünn, die Fragen sind groß. Was ist Judentum? Was sind die Eigenschaften dieses Volkes? Wer ist Jude? Was ist jüdische Kultur? Und wie steht es um das Selbstverständnis Israels? Mit großem Wissen, Umsicht und einer wunderbaren Dosis Humor stellt sich Oz den existenziellen Bedrohungen seiner Heimat, hantelt sich durch 2000 Jahre Geschichte und lässt die letzten 70 Jahre als Augenzeuge Revue passieren. Nur Analphabeten würden Oz der Israelfeindlichkeit bezichtigen, sein Buch ist eine Liebeserklärung an sein Land und sein Volk.

Zerstörung der vernunftbetonten Gesellschaft

Deshalb mahnt er und bezieht Stellung. Er schreibt in diesen drei Plädoyers gegen eine Schwarz-Weiß-Zeichnung an, die in der Politik Oberhand gewonnen hat. Er schreibt gegen religiöse Eiferer jeder Couleur, die die aufgeklärte, vernunftbetonte säkulare Gesellschaft zerstören. Er schreibt gegen alle, die den Frieden verhindern.

Gerade deshalb ortet er in einem gemäßigten Islam auch den theoretisch wichtigsten Verbündeten für sein Land. Oz will sich nicht damit abfinden, dass eine Zweistaatenlösung keine Option mehr sein soll. "Die größte Gefahr für Israel geht von der Fortsetzung der Feindschaft mit den Arabern aus", ist er sich sicher und will seine gut begründete Überzeugung nicht nur in Israel, sondern in der Welt verbreiten. Das erfordert größten Mut. (Karin Pollack, 5.5.2018)