Die Reilles (Michael Dangl, Susa Meyer) sind zu den Houillés (Marcus Bluhm, Judith_Rosmair, v.li.) gekommen, um den Streit der Söhne zu klären.

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Wien – Das Antlitz der Humanität steht unschuldsweiß und überlebensgroß im Wohnzimmer der Houillés. Den Marmorschädel muss die kunstbeflissene und auf das Gute im Menschen hoffende Véronique (Judith Rosmair) aufgestellt haben, denn der hemdsärmeligen Art des Gatten (toll: Marcus Bluhm) schaut er nicht ähnlich. Gleich wie die Plexiglasstühle, die rundum stehen. Sie sind so unsichtbar, dass man sie beim Hinsetzen fast verfehlt – das beschert erste Lacher.

Denen viele folgen werden. Der Schädel wird sich im Lauf des Spiels von den Szenen abwenden. Das ist der Kniff der schwarz-weißen Kulissen, die Herbert Schäfer und Vasilis Triantafillopoulos ins Theater in der Josefstadt gestellt haben. Wenn er dank Drehbühne dann einmal rundherum gefahren ist und nach 90 Minuten wieder ins Publikum schaut, meint man, er blicke besorgter drein.

Seit seiner Uraufführung vor zwölf Jahren ist Yasmina Rezas Der Gott des Gemetzels zu einem Gassenhauer der Theaterliteratur geworden. Das Stück bietet eine auf Hochglanz polierte Oberfläche aus präzise gebauten Pointen und raschen Wortwechseln. Sie soll einer Gesellschaft den Spiegel vorhalten, mit deren bildungsbürgerlichen zivilen Umgangsformen es erfahrungsgemäß nicht weit her sein kann.

Brav abgehakt

Dazu muss sich in kurzer Zeit viel aufschaukeln: Der Sohn der Reilles (Michael Dangl und Susa Meyer) hat den Buben der Houillés bei einem Streit mit einem Stock verletzt. Die Eltern treffen sich, um die Sache zu klären und durchlaufen unter Alkoholeinfluss alle Stationen vom halbherzigen Versuch der kultivierten Einigung über den Kleinkrieg bis zur beschämten Ernüchterung. Die Frontlinien zwischen den Elternpaaren, Geschlechtern und Ehepartnern verschieben sich dabei zum Gaudium des Publikums ständig.

Als braver Handwerker hakt Regisseur Torsten Fischer all dies Punkt für Punkt ab: Dangl pflegt das Macho-Gehabe des John-Wayne-Jüngers Alain Reille überzeugend. Ihr Gutmenschentum hindert Rosmair als Véronique nicht daran, sich die Haare zu lösen und mit den Augen an ihm kleben zu bleiben, wenn er nackt aus der Dusche kommt. Meyer ist als Karrierefrau famos nobel und von der erzieherischen Aufgabe genauso angeödet wie ihr Mann.

Die Mechanik der Handlung funktioniert. Doch sie kommt mit bescheidenem Esprit daher. Die modernistische Einrichtung der Bühne gleicht einer Pose und ist optisch ohne Reiz. Die Gesten, derer sich das kleine feine Ensemble bedient, wirken formelhaft. Die Eskalationen ihrerseits hölzern.

Damit gerät ein Abend, der sich gern unkonventionell wähnte, enttäuschend schal. (Michael Wurmitzer, 5.5.2018)