Sonnenschirme, toller Wein und inspirierte Küche: Das Coté Sud hat unter neuer Führung wieder offen.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Markknochen, der Länge nach aufgeschnitten, erst gegrillt, dann mit üppig samtigem Erdäpfelflan gratiniert und mit sautierten Morcheln belegt.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Der expressiv-knackige "Muse" mit dem mehr als suggestiven Etikett vom Demeter-Domaine de l'Ecu im Loire-Tal steht zwar auf der Weinkarte, noch ist der Rosé aber nicht im Haus. Dabei würde er ideal zum Vorsommer in der Schleifmühlgasse passen. Die Karte hat aber anderes Gutes von spannenden Winzern in Österreich, aber auch aus Frankreich zu bieten – Winzerchampagner von Larmandier-Bernier oder Pascal Doquet und natürlich wilde Crémants ebenso wie die großen Namen aus dem Roussillon, wunderbaren Sancerre von Vincent Gaudry oder den schlicht fantastischen Chenin blanc "Chateau Yvonne" aus Saumur.

Gut so, Wien kann nämlich schon noch ein paar Adressen gebrauchen, an denen die extrem vielfältige und qualitätsversessene junge Weinszene Frankreichs präsentiert wird – am besten in Kombination mit gutem, unkompliziertem Essen. Scheint genau das Konzept von Vicky Karassowitsch zu sein, einer Gastronomin, die an guten Adressen zugange war, bei Max Stiegl in Purbach zum Beispiel oder bei Christian Petz.

Von dort kennt sie Tim Gallos, der sechs Jahre unter dem Überkoch werkte, darunter auch die ersten anderthalb Jahre in dessen eigenem Wirtshaus, wenige Gassen weiter in der Gusshausstraße.

Karassowitsch hat das Coté Sud vom ursprünglichen Betreiber gemietet. Es ist ein schmales Restaurant mit wenigen Tischen, die offene Küche in die Schank integriert, auf der Gasse geht sich ein filigran möblierter Schanigarten aus. Sehr französisch das alles, bis hin zur nonchalanten Zugewandtheit, die Karassowitsch ihren Gästen angedeihen lässt.

Irgendwie passt sogar dazu, dass die beiden bei Vollauslastung in diesen ersten Wochen des Aufsperrens gelegentlich in tiefes Wasser geraten. Das sollte sich bald eingespielt haben. Die Küche jedenfalls bietet den Herrlichkeiten von der Weinkarte schon sehr wacker Paroli.

Wiener Bio-Schnecken von Gugumuck etwa, fleischiger und zarter, als man sie aus Frankreich kennt, werden in einem köstlichen See aus Kräuterbutter gratiniert, dazu gibt's dreierlei Joseph-Brot zum Auftunken – gefährlich gut, schon gar mit einem straff geschliffenen Aligoté im Glas. Oder Oktopusarme, im Ofen gratiniert, mit wunderbar cremiger weißer Polenta und Rucola von animierend scharfer Frische.

Knödelgallier

Markknochen, der Länge nach aufgeschnitten, erst gegrillt, dann mit üppig samtigem Erdäpfelflan gratiniert und mit sautierten Morcheln belegt (siehe Bild), schmiegt sich mit Wucht an die Gallenwand. Frühling ist anders, missen will man die gefährlich köstliche Gemeinheit deswegen aber nicht. Schon gar, wenn gerade Kapitel I (2013) von Christian Tschida im Glas ist.

Überhaupt scheint Gallos' Karte von den vorsommerlichen Temperaturen phasenweise überrascht worden zu sein: Grammelknödel mit Ingwer-Paprikakraut, die an kühleren Tagen bei Max Stiegl ebenso oft wie bei Christian Petz auf der Karte stehen, gelingen tadellos, ein bissl feucht wird einem die Stirn da aber schon. Französisch sind sie nicht einmal mit viel gutem Willen. Der Wiener hat aber eh gern etwas Vertrautes dabei, wenn er sich schon einmal in Richtung Westen zu trinken wagt.

Seesaibling mit Sherry-Gurkengemüse und wolkengleichen Butternockerln darf man sich in der Hinsicht als gefälligen Mittelweg vorstellen: Die Sättigungsbeilage flauschig weich auf der wienerischen Seite, das Gemüse dafür virtuos an die gallische Kante geführt (beste Gurken seit langem!), der Saibling mit nachtwandlerischer Sicherheit ebenso knusprig wie saftig hergebraten: So lassen sich auch eingefleischte Knödeldreher wie wir die französische Art des guten Essens gefallen. (Severin Corti, RONDO, 11.5.2018)

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