Facebook-Chef Mark Zuckerberg hat Spaß mit neuen Features

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Facebook ist bekanntlich an fast allen Problemen der Welt schuld: an der Verbreitung von Hassbotschaften; an Falschmeldungen und dem Aufstieg autoritärer Rechtspopulisten; am Ende des Datenschutzes und auch an zunehmender Vereinsamung und daraus folgenden Depressionen. Facebook ist zum Symbol für das Böse und Schlechte an modernen Technologien geworden.

Als Journalist, der sich viel mit netzpolitischen Themen beschäftigt, habe ich selbst viel geschrieben, was diese Sichtweise bekräftigt – und ich habe in Kommentaren die Bemühungen von Datenschützern wie Max Schrems unterstützt.

Aber eines hat sich nicht geändert: Ich bin bei Facebook geblieben. Ich mag Facebook, sowie 2,2 Milliarden andere Menschen.

Angeblich soll Facebook ja "so süchtig machen wie Kokain". Bin ich also ein Junkie? Oder ist mir Datenschutz egal? Bin ich ein Heuchler, weil ich Datenschutz predige, aber Facebook benutze? Diese Fragen gehen einem durch den Kopf, wenn man fast täglich über die Missetaten des Social Media-Hegemons schreibt, in der Mittagspause aber automatisch seinen Facebook-Newsfeed aufruft.

Sehr gute Plattform geschaffen

Frei nach Fred Sinowatz: Es ist alles sehr kompliziert. Das World Wide Web ist schon längst keine Einbahnstraße mehr. Natürlich nutze auch ich das Netz, um Informationen zu suchen, einzukaufen oder Filme und Serien abzurufen. Aber ein genauso wichtiges Motiv ist die Interaktion mit Freunden und Bekannten. Dabei muss man eingestehen, dass Facebook aus Nutzerperspektive eine sehr gute Plattform dafür geschaffen hat.

Mit Blick auf die grundlegenden Features – Datenschutz ausgenommen – ist Facebook nahezu idiotensicher. Kein Wunder, dass auch weniger technik-affine Menschen dort unterwegs sind. Facebook hält einen auf dem Laufenden, was im Leben von Verwandten und Bekannten passiert, mit denen man nicht so oft kommuniziere. Das ist kein überlebensnotwendiger Vorteil, aber es ist schön.

Freundschaften sind auch nicht nix

Ich habe über Facebook auch schon Freundschaften geschlossen oder intensiviert. Wer kennt das nicht von früher: Man lernt jemanden auf einer Party, bei einer Vorlesung oder einem beruflichen Event kennen, versteht sich in der Mittagspause gut – und sieht sich dann nie wieder. Facebook und sein Messenger erlauben es, weiterhin in Kontakt zu bleiben – bis man weiß, dass man sich gut genug versteht, um die Freundschaft auch "offline" zu pflegen.

Vernetzung

Aber das ist längst nicht alles, was Facebook bietet. Da wäre beispielsweise die einfache Organisation von politischen oder karitativen Aktionen. Man denke an den Höhepunkt der Flüchtlingskrise 2015, als Helfer über Facebook kommunizieren konnten, welche Kleiderstücke oder Lebensmittel sie unbedingt noch brauchen. Ein Beispiel für Nachbarschaftshilfe ist etwa "Share and Care", wo Nutzer sich gegenseitig Dinge schenken, die sie selbst nicht (mehr) brauchen. Von der Organisation von politischem Widerstand, der in repressiven Regimen oftmals über Facebook erfolgt, ganz zu schweigen.

Auch die Kommunikation mit Unternehmen funktioniert viel besser als zu früheren Zeiten. Natürlich könnte man all das auch auf eigene Homepages auslagern, allerdings sind Aufbau und Pflege einer Facebook-Seite für viele Kleinunternehmer viel einfacher. Facebook lässt mich in meiner Timeline erfahren, welche Spezialität der Italiener im Grätzel gerade im Angebot hat, oder welche Gemüsesorten der Händler heute geliefert bekommen hat.

Prügelknabe für Versäumnisse der Politik

Kurzum: Facebook macht mein Leben einfacher. Und obwohl ich genau weiß, welchen Preis ich dafür bezahle, bleibe ich dabei. Genauso wie bei Instagram, Whatsapp oder Amazon. Das hat auch damit zu tun, dass die Verantwortung für mehr Datenschutz nicht nur bei den großen IT-Konzernen selbst zu suchen ist.

Facebook ist ein Prügelknabe für Versäumnisse, die auch der Politik anzulasten sind. Der IT-Konzern ist ein börsennotiertes Unternehmen, das bestehende Gesetze natürlich ausreizt. Das ist sein Recht. Aufgabe der Politik ist es, dieses Recht zu beschränken; was auch die Intention der neuen EU-Datenschutzgrundverordnung ist – die in Österreich allerdings stark verwässert wurde.

Politik lagert an Facebook aus

Zu oft spielt die Politik jedoch den Ball an Facebook zurück, begeht dabei aber ein Foul. Man nehme beispielsweise das Thema Hasspostings. Am glücklichsten wäre die Politik, wenn sich Facebook ganz allein darum kümmert. Als jemand, der sowohl Artikel über den weit verbreiteten Hass auf Facebook als auch über Zensurvorwürfe gegen die Plattform verfasst hat, weiß ich: So einfach ist das nicht. Statt staatliche Ressourcen dafür bereitzustellen, über die Löschung von Hasspostings zu entscheiden, soll Facebook Kläger und Richter in einem spielen. Löscht die Plattform dann ein Posting zu viel, rollt der nächste Shitstorm über sie hinweg.

Ähnlich ist das im Bereich der Nacktheit. Einerseits wollen Nutzer keine Pornografie auf Facebook, schon gar nicht in den Timelines von Jugendlichen; andererseits wird aus jedem gelöschten Nackten ein Skandal rund um das "prüde US-Unternehmen" aufgebauscht.

Mehr Transparenz

Um entsprechenden Postings zuvorzukommen: Nein, ich erhalte für diesen Text kein Geld von Facebook. Aber die Debatte rund um Datenschutz und andere Problemfelder darf nicht zu einer reinen Technik- und Facebook-Feindlichkeit führen. Viel konstruktiver wäre es, die Leistungen und Vorteile von Facebook ebenso anzuerkennen und Nutzern deutlich zu machen, dass gewisse Vorteile, die sie gerne nutzen, ohne Datensammlungen einfach nicht möglich sind.

Für einen vernünftigen Umgang mit Facebook und seinen Features wäre es wichtig, sich genau zu überlegen, was man will und nicht will. So ist es logisch, dass Facebook das eigene Telefonbuch durchsucht, wenn man es dazu auffordert, dort nach "Freunden" zu suchen. Dann ist es allerdings nicht besonders fair, sich anschließend über "Datenraub" zu beklagen. (Fabian Schmid, 13.5.2018)