Matthias Strolz ist von Nachfolgerin Beate Meinl-Reisinger überzeugt: Sie sei "eine Wucht".

Foto: Der Standard/ Christian Fischer

Meinl-Reisinger warnt vor einer "gläsernen Decke des Parteienstaates".

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Wien – Neos-Chef Matthias Strolz hat den Parteivorsitz an seine Stellvertreterin und Wunschnachfolgerin Beate Meinl-Reisinger übergeben – zunächst interimistisch, im Juni soll die Mitgliederversammlung das bestätigen. "Ich bin überzeugt, dass Beate eine Wucht ist", sagt Strolz über seine Nachfolgerin. Sie sei eine Löwin, kämpfe mit sachlicher Leidenschaft und biete die Stirn, das habe er auch selbst erleben müssen. Sie sei mindestens so gut wie er selbst und könne manches sogar besser, das sei auch gut so: "Einen Mini-Me brauch ma nicht."

Als Erklärung für seinen überraschenden Rückzug blieb Strolz der Sprache der Bäume treu: "Ich will nicht der Baum sein, der seine Äste so weit spannt und anderen Bäumen das Licht nimmt." Die Neos dürften nicht in die Gründerfalle tappen – vier von fünf Gründern würden "gegangen werden", weil sie nicht den richtigen Zeitpunkt für einen Rückzug erkennen.

"Gläserne Decke des Parteienstaates"

Meinl-Reisinger startet mit einer Ansage gegen die Regierung und den Parteienstaat. Sie habe zu oft miterlebt, "wie man an eine gläserne Decke stößt, gegen jene der Machtstrukturen". In Österreich entscheide immer noch die Parteizugehörigkeit über das Fortkommen. Sie wünsche sich eine "Inhaltsmacht": Es solle nicht mehr zählen, wer wen kennt, sondern wer was kann.

Im Herbst soll Meinl-Reisinger auch Klubchefin im Parlament werden. Dort will sie weiterhin eine starke Opposition bilden und gesellschaftliche Konflikte benennen. Dass es Klassen gibt, in denen 80 Prozent der Schüler Deutsch nicht als Muttersprache haben, sei einer davon. "Das ist ein Verbrechen an den Kindern." Lösungen seien gefragt. Diese Kinder dürften nicht für machtpolitischen Zwecke missbraucht werden. Das Vorgehen der türkis-blauen Regierung sei "zynisch, verantwortungslos und unanständig". Eine klare Sprache vermisst sie bei Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) in Bezug auf Antisemitismus und Rassismus bei seinem Regierungspartner FPÖ. Sie frage sich, ob Kurz noch in den Spiegel schauen könne.

"Werte nicht verhandelbar"

Bei der Gründung der Neos vor sieben Jahren "hätten wir uns nicht vorstellen können, dass unsere Werte auf einmal verhandelbar sind. Dass die Menschenrechte, die Presse- und Meinungsfreiheit und die europäischen Werte verhandelbar sind." Für die Neos bleibe all das unverhandelbar, und man werde weiter dafür kämpfen.

Der gesamte Vorstand und der erweiterte Vorstand werden am 23. Juni bei der Neos-Mitgliederversammlung ihre Amtszeit vorzeitig beenden und neu gewählt werden. Auch inhaltliche Beschlüsse sollen auf der Tagesordnung stehen. Darüber hinaus werden die Wiener Neos einen neuen Chef brauchen, denn Meinl-Reisinger will diesen Job ebenfalls schrittweise und geordnet übergeben, sollte sie Bundesparteichefin werden.

In der Politik wolle sie nicht bis zur Pension bleiben. "Ich möchte das nicht ein Leben lang machen." Meinl-Reisinger zeigte auch eine persönliche Seite und berichtete vom "tagtäglichen Kampf", Beruf mit Familie zu vereinbaren. Sie teile mit allen Frauen in der gleichen Situation "das schlechte Gewissen, dass man nicht zu Hause ist, die Sorge, wenn die Kinder krank sind, und das müde Aug'". Dass Meinl-Reisinger die einzige weibliche Parteichefin auf Bundesebene werden könnte, würde Strolz besonders freuen: "Ich finde das großartig." (Marie-Theres Egyed, 9.5.2018)