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Die israelischen Luftangriffe in Syrien gehörten zu den "größten, die Israels Armee gegen iranische Ziele unternommen hat".

Foto: Reuters/Alaa Al-Faqir

Tel Aviv / Teheran – Nach dem gegenseitigen Beschuss zwischen Israel und dem Iran an der Grenze zu Syrien wächst die Sorge um eine weitere militärische Eskalation im Nahen Osten. Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Russland riefen beide Seiten zur Besonnenheit und Deeskalation auf. Die USA sprachen von einem "zusätzlichen Beweis, dass dem iranischen Regime nicht zu trauen ist".

Der israelische Verteidigungsminister Avigdor Lieberman deutete am Donnerstag an, dass vorerst keine weiteren Angriffe zu erwarten seien. "Ich hoffe, wir haben dieses Kapitel beendet und jeder hat die Botschaft verstanden", sagte Lieberman auf einer Sicherheitskonferenz in der Nähe von Tel Aviv. Vom Iran gab es auch über zwölf Stunden nach den Angriffen noch keine Reaktion.

Massive Vergeltungsangriffe

Nach israelischen Angaben griffen in der Nacht erstmals seit Beginn des Krieges in Syrien iranische Revolutionsgarden mit rund 20 Raketen Armeeposten auf den Golan-Höhen an – und reagierten damit auf israelische Angriffe in den Tagen zuvor. Die israelische Luftwaffe begann kurz darauf wiederum mit massiven Vergeltungsangriffen auf syrische Militäreinrichtungen und iranische Stellungen in Syrien. Bewohner berichteten unter anderem von starken Explosionen nahe der Hauptstadt Damaskus.

Syrischen Medien zufolge hat die Luftabwehr Raketen über Damaskus, Homs und Sueida abgefangen. Nach Angaben des russischen Verteidigungsministeriums fing die syrische Luftabwehr über die Hälfte der israelischen Raketen ab. Dennoch wurden nach Angaben der syrischen Armee drei Menschen durch Raketeneinschläge getötet und zwei weitere verletzt. Die oppositionsnahe Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte sprach von mindestens 23 getöteten Militärangehörigen, darunter Syrer und Nicht-Syrer.

Russland vorab informiert

Die israelische Armee teilte mit, man habe Dutzende iranische Ziele in Syrien angegriffen. Zudem seien fünf Luftabwehrstellungen der syrischen Armee zerstört worden, von denen auf israelische Jets geschossen worden sei. Russland, das Machthaber Baschar al-Assad in Syrien unterstützt, sei vorab von den Angriffen informiert worden.

Lieberman sagte, Israel habe fast die komplette iranische Infrastruktur in Syrien getroffen. Keine der iranischen Raketen sei auf israelisch kontrollierten Gebieten eingeschlagen. Sie seien entweder fehlgegangen oder von der israelischen Abwehr abgeschossen worden. Hingegen hatte ein Armeesprecher erklärt, bei den Angriffen auf die Armeeposten auf dem seit den 1980er Jahren annektierten Golan-Höhen sei geringer Schaden entstanden. Verletzte habe es nicht gegeben.

Syrische Staatsmedien berichteten, Israel habe Ziele auch tiefer im Land angegriffen. Die amtliche syrische Nachrichtenagentur Sana meldete, ein Munitionsdepot, Luftabwehrstellungen und eine Radareinrichtung der Armee seien zerstört worden.

Spannungen nehmen zu

Der Konflikt zwischen Israel und dem Iran hat sich im syrisch-israelischen Grenzgebiet in den vergangenen Wochen deutlich verschärft: Mindestens zwei Mal wurden iranische Stellungen in Syrien angegriffen – die Angriffe werden Israel zugeschrieben, auch wenn sich weder Armee noch Politiker offiziell dazu äußern.

Teheran ist enger Verbündeter Assads und hat tausende Kämpfer nach Syrien entsandt. Nach dem weitgehenden Sieg der syrischen Regierungstruppen und ihrer russischen und iranischen Verbündeten strebt der Iran nach israelischen Angaben nun danach, eine dauerhafte Militärpräsenz an der israelischen Grenze aufzubauen. Israel sieht sich durch eine neue Front aus iranischen Revolutionsgarden und der libanesischen Hisbollah-Miliz an seiner Nordgrenze bedroht und hat angekündigt, eine dauerhafte Präsenz des Iran dort mit allen Mitteln zu verhindern.

US-Präsidialamtssprecherin Sarah Sanders sagte, der iranische Beschuss Israels zeige, dass Trump mit seinem Rückzug aus dem internationalen Atomabkommen mit dem Iran die richtige Entscheidung getroffen habe. Trump hatte die Aufkündigung des Abkommens auch mit der aggressiven Außenpolitik des Landes begründet und ausdrücklich die Destabilisierung durch den Iran in Israels Nachbarschaft kritisiert. Dagegen setzt die Bundesregierung ebenso wie die anderen EU-Staaten und Russland weiter auf das Abkommen.

Merkel ruft zu Besonnenheit auf

Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel und der französische Präsident Emmanuel Macron riefen zu Besonnenheit und Deeskalation in der Region auf. Die britische Regierung forderte Russland auf, seinen Einfluss auf Syrien geltend zu machen, um weitere iranische Angriffe von dessen Territorium aus zu verhindern.

Russland seinerseits sprach von einer alarmierenden Entwicklung. Außenminister Sergej Lawrow rief Israel und Iran auf, alles zu unterlassen, was eine Spirale der Gewalt auslösen könnte. Präsident Wladimir Putin habe das Thema bei seinen Gesprächen mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu in Moskau angesprochen.

"Weltkrieg anderer Art"

Syrien Staatschef Bashar al-Assad ist der Ansicht, dass in seinem Land ein Weltkrieg stattfindet, der aber andere Merkmale als die beiden früheren habe. "Er ist vielleicht kein voller Dritter Weltkrieg. Dennoch ist es bereits ein Weltkrieg, (der auf einer) anderen Art als der Erste und der Zweite (Weltkrieg) stattfindet", sagte Assad der Athener Zeitung "Kathimerini".

Er äußerte in dem Interview mit dem konservativen Blatt die Hoffnung, dass es in seinem Land zu keiner direkten Konfrontation zwischen Russland und den USA komme. Dann würde nach Assads Ansicht die Situation "auf der ganzen Welt außer Kontrolle geraten". (red, APA, 10.5.2018)