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Demonstration gegen den Schusswaffenbesitz vor dem Weißen Haus: Donald Trump motiviert seine Gegner.

Foto: AP / Evan Vucci

Tweetlawinen in der Früh, ein neuer Skandal am Abend, Russland-Affäre, Strafzölle, Nordkorea, Iran: Fast stündlich schlagen Nachrichten aus dem Weißen Haus in Washington ein und treiben die Stadt an den Rand des Nervenzusammenbruchs. Hier redet man nur über eines: Trump, Trump, Trump.

Die Hauptstadt der USA mit ihren breiten Straßen und eleganten Häusern ist wohlhabender denn je, die Armut ist an die Peripherie verbannt und die frühere Kriminalität vergessen; wenn die U-Bahn wieder stecken bleibt, bestellt man einfach ein Uber. Aber hinter den Stein- und Glasfassaden kocht es.

"Das ist eine besetzte Stadt, bloß sind wir uns nicht einig, wer der Besatzer ist", sagt ein "Washington Post"-Reporter. Für die meisten ist es klar: Mit Donald Trump ist eine fremde Macht hier einmarschiert und zerstört nach und nach die Grundlagen der Demokratie und der politischen Ethik.

Nur vier Prozent der Washingtoner Wähler stimmten im November 2016 für den Wahlsieger. Man hatte sich auf eine Clinton-Präsidentschaft eingestellt und hat den Schock bis heute nicht überwunden. "Ich lese alles über Trump, aber es ist nicht real. Es ist wie ein schlechter Roman, dessen Ende wir nicht kennen", sagt Peter Bass, ein Unternehmer und ehemaliger Beamter im Außenministerium.

Mächtige im Feindesland

Aber für die neuen Mächtigen ist Washington immer noch Feindesland. Jeden Mittwochmorgen treffen sich im Büro von Grover Norquist, der seit 30 Jahren für Steuersenkungen kämpft, konservative Lobbyisten und Aktivisten zum Meinungsaustausch und gegenseitiger Ermutigung. Ihnen geht es um den Kampf gegen das Gesundheitssystem Obamacare, Abtreibung, Zuckerquoten – und natürlich die böse Macht im Hintergrund, die liberalen Medien. Sie geben sich nach außen hin zufrieden, aber kritische Fragen über den eigenwilligen Präsidenten werden systematisch abgeblockt.

Norquist nennt im STANDARD-Gespräch als wichtigstes Ziel eine weitere Steuersenkung, die Wunder für die Wirtschaft bewirken werde. "Wir müssen die Kapitalertragssteuer endlich von der Inflation bereinigen", sagt er. "Das kostet kurzfristig einige Milliarden an Einnahmen, aber wird langfristig sehr viel bringen."

Steuersenkungen führten nicht zu höheren Defiziten, auch wenn dies Ökonomen behaupteten, beschwört Norquist die alte Zauberformel aus der Reagan-Ära, denn die Wirtschaft wachse dann viel schneller. "Uns wurde gesagt, mehr als zwei Prozent Wachstum sind nicht möglich, doch jetzt haben wir drei Prozent, und wir können auch vier Prozent erreichen."

Tsunami

Deshalb ist auch der konservative Weiße-Haus-Korrespondent John Gizzi zuversichtlich, dass den Republikanern die Zukunft gehört. "Enttäuscht? Warum sollte das jemand sein? Für die Wohlhabenden steigen die Aktienkurse, und die Normalverdiener sehen dank der Steuerreform mehr Geld auf ihrem Lohnzettel", sagt er. Die Umfragen, die den Demokraten massive Gewinne bei den Kongresswahlen im November versprechen, werden sich als genauso falsch erweisen wie einst der Vorsprung für Hillary Clinton.

Seine Frau Colleen, die früher für die Republikaner im Parlament des Staates Michigan saß, ist da schon vorsichtiger. "Die Leute sprechen von einer Welle für die Demokraten, aber es könnte ein Tsunami werden", sagt sie und verweist sie auf die vielen Frauen, die auch wegen Trump erstmals kandidieren. Dabei hätten die Republikaner schon viel früher bessere Kandidatinnen gehabt. Für sie ist vor allem Trumps Nepotismus ein Problem. Ihre Hoffnung: Uno-Botschafterin Nikki Haley, die sich vom Präsidenten nichts sagen lässt. "Sie wird die erste Präsidentin der USA."

Ganz anders ist die Stimmung in der Parteizentrale der Demokraten gleich hinter dem Kapitol. Dort ist man für die "Midterms" im November siegessicher. "Wir erleben einen unglaublichen Enthusiasmus im ganzen Land, von den Frauenmärschen zu den Anti-Waffen-Demos – und all den neuen Kandidaten für politische Ämter", schwärmt Sabrine Singh, die Vize-Pressechefin des Democratic National Committee (DNC).

Man werde die Fehler von 2016 nicht wiederholen, betont sie. "Demokraten können nicht einfach nur alle vier Jahre auftauchen, sie müssen in den Gemeinden präsent sein." Dies gelte vor allem für die Midterms, denn dort würden gerade demokratische Wähler oft nicht zur Urne gehen. "Das müssen wir diesmal ändern."

Polarisierte Gesellschaft

Das hängt vor allem von den jungen Wählern ab, sagt Carroll Doherty, Direktor für politische Forschung am renommierten Pew Research Center. Unter den Millenials sei die Mehrheit für die Demokraten, bei Frauen sogar zu 70 Prozent. "Aber diese Altersgruppe bleibt oft zuhause", sagt Doherty. "Die große Frage für 2018 ist daher: Gehen sie diesmal wählen?"

Die Amerikaner seien jedenfalls stärker gespalten denn je, betont Doherty – und das färbe auf alle Sachthemen ab, auch auf die Einschätzung der Wirtschaftslage. "Republikaner sagen, die Wirtschaft läuft fantastisch, Demokraten sehen Probleme." Und das Denken entlang von Parteigrenzen nehme weiter zu. "In einer komplizierten Welt und einer polarisierten Gesellschaft suchen Menschen einen Anker und halten sich daher bei fast allen Themen an das, was ihre Partei sagt."

Deshalb ist eine Stimme wie die des "Reuters"-Journalisten und Medienprofessors John Walcott, der auch an der Georgetown University unterrichtet, so selten geworden: "Egal ob man Demokrat oder Republikaner ist: Die Frage ist, ob diese Regierung gut arbeitet und liefern kann." Sein Resümee: "Bisher hat sie nicht geliefert." (Eric Frey, 13.5.2018)