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Sollen Lehrerinnen ein Kopftuch tragen dürfen? Lehrer eine Kippa? Was ist dann mit dem Kreuz im Klassenzimmer? All diese Fragen sind auch juristisch nicht einfach zu beantworten. Ein generelles Neutralitätsgebot ist möglich, das hat der Europäische Gerichtshof bereits festgestellt.

Foto: Reuters

Wien – Berlin, die rot-rot-grün regierte deutsche Metropole, die Hauptstadt für Kreative, freie Schnauzen und Hipstertum, die bekanntermaßen arm, aber sexy ist, wie einst ein Bürgermeister kokettierte – sie dient den österreichischen Freiheitlichen nun als Vorbild. Zumindest in einem Belang. Denn das Berliner Arbeitsgericht hat Ende dieser Woche die Klage einer jungen Muslimin abgewiesen: Lehrerinnen an Berliner Grundschulen dürfen nicht mit Kopftuch unterrichten. Ein entsprechendes Verbot sei nicht verfassungswidrig, stellte der deutsche Richter klar.

Zeichen der Geringschätzung

"Wir begrüßen das natürlich", sagt FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky im Gespräch mit dem STANDARD. "Das Kopftuch ist ein Zeichen für die Geringschätzung der Frau, es gehört auch nicht nach Österreich", ist der blaue Europaabgeordnete überzeugt.

Die Herleitung des Kopftuchverbots ist im Nachbarland allerdings eine andere als jene, die in Wien derzeit diskutiert wird. In Berlin untersagt ein allgemeines Neutralitätsgesetz das Tragen von religiös geprägten Kleidungsstücken im öffentlichen Dienst. Das bedeutet: kein Kopftuch, keine Kippa, kein sichtbarer Kreuzanhänger. Ein Modell für Österreich? "Das ist absolut zu überlegen, wenn man es über dieses Vehikel schafft, den Islam aus den Schulen zu verbannen", sagt Vilimsky. "Wir bleiben dran."

Kopftuchverbot für Kinder in Arbeit

Auf Nachfrage im Büro von FPÖ-Chef und Vizekanzler Heinz-Christian Strache wird erklärt, dass der "erste Schritt" nun sei, das Kopftuch für Mädchen in Kindergärten und Volksschulen zu verbieten. Danach müssten aus Sicht der Freiheitlichen weitere Maßnahmen hin zu einem breiteren Kopftuchverbot folgen: "Das werden wir noch mit dem Koalitionspartner akkordieren", sagt Straches Mediensprecher.

Am Kopftuchverbot für Kinder feilen derzeit das Bildungs- und das Frauenressort, beide türkis geführt. "Das ist in Arbeit. Wir haben Rechtsauskünfte eingeholt und Gutachten in Auftrag gegeben – ergebnisoffen, versteht sich", sagt die Sprecherin von Bildungsminister Heinz Faßmann auf Anfrage. Einen Termin, wann das neue Gesetz fertig sein wird, gebe es aktuell noch nicht.

Kinderschutz und Religion

Ganz einfach ist das Unterfangen nicht. Denn die türkis-blaue Regierung will zwar kleinen Mädchen das Kopftuch verbieten, Buben sollen aber weiterhin Kippa tragen können. Auch das Kreuz aus den Klassenzimmern zu entfernen ist für ÖVP und FPÖ keine Option. Es gehe beim Kopftuch bei Kindern nicht um den Islam, sagen Strache und Kanzler Sebastian Kurz. Es gehe um Kinderschutz: Man müsse den Mädchen helfen und einer Parallelgesellschaft entgegenwirken, rechtfertigen die Koalitionäre ihr Vorhaben.

Maria Wittmann-Tiwald, Präsidentin des Handelsgerichts und Co-Vorsitzende der Fachgruppe Grundrechte in der Richtervereinigung, ist skeptisch: "Wenn man nur das Kopftuch verbietet, stellt sich immer die Frage, ob es sich um religiöse Diskriminierung handelt", sagt sie. Um das juristisch zu klären, müsse man abwarten bis das Gesetz beschlossen wird und eine Betroffene es anficht – dann wäre der Verfassungsgerichtshof am Zug. "Vielleicht kann man über das Verfassungsgesetz über die Rechte von Kindern argumentieren, weil das Kopftuch ein Mädchen einschränkt, aber sicher bin ich mir nicht", sagt Wittmann-Tiwald.

Staat und Religion nicht strikt getrennt

Die Juristin setzt sich seit langem für ein Neutralitätsgebot in Gerichten ein: kein Kruzifix, keine Richterin mit Kopftuch, einfach gar keine religiösen oder weltanschaulichen Symbole in Gerichtssälen. Das sei – ähnlich wie die Variante für den öffentlichen Dienst in Berlin – rechtlich jedenfalls möglich. Auch der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat sich in einem arbeitsrechtlichen Fall bereits entsprechend geäußert: Wenn sämtliche religiösen Symbole verboten sind, hat auch das Kopftuch keinen Platz.

Wie es bei Lehrerinnen und Beamten generell aussieht, da hat Wittmann-Tiwald allerdings Zweifel: Anders als etwa in Frankreich gebe es in Österreich keine strikte Trennung zwischen Staat und Kirche, weshalb auch Religionsfreiheit höher zu bewerten sei. "Unsere Gesellschaft wird all diese Fragen ausverhandeln müssen – politisch und juristisch." (Katharina Mittelstaedt, 12.5.2018)