Ein Diktator wird gelobt und hofiert, er darf in Kürze den amerikanischen Präsidenten treffen. Die brutale Unterdrückung der eigenen Bevölkerung ist diesem keine Erwähnung wert, ebenso wenig der Terror und die Wortbrüche früherer Jahre. Die andere Diktatur wird verteufelt, als korrupt und grausam angeprangert und mit neuen Sanktionen belegt. Ein Abkommen, an das man sich treu gehalten hat, wird von diesem Präsidenten zerrissen. Wenn sich Iraner fragen, warum ihr Land so anders behandelt wird als Nordkorea, müssen sie – wenn sie nicht dahinter eine zionistische Verschwörung sehen – zu einem Schluss kommen: Nordkorea hat Atomwaffen, der Iran noch nicht.

Botschaft an Schurkenstaaten

Das ist die fatale Botschaft, die Donald Trump dieser Tage an echte und potenzielle Schurkenstaaten schickt: Solange ihr nur von Nuklearwaffen träumt oder euch die Option darauf offenhält, seid ihr im Visier der amerikanischen Wirtschafts- und Militärmacht. Sobald euer Atomarsenal steht, könnt ihr Respekt und Zugeständnisse erwarten. Der Schluss daraus liegt nahe: Es ist im strategischen Interesse solcher Regime, sich möglichst rasch nuklear zu bewaffnen.

Das gilt zu allererst für den Iran. Präsident Hassan Rohani ist mit seiner Strategie, durch Verzicht auf Nuklearaufrüstung die wirtschaftliche Isolation zu beenden, gescheitert. Er kann jetzt nur noch hoffen, dass sich die Europäer Trump entgegenstellen und den Effekt der US-Sanktionen abmildern werden. Doch dies ist kaum realistisch. Deshalb könnte in Teheran schon bald die Stunde der Hardliner kommen, die sich diesmal vom Bau der Bombe nicht abbringen lassen werden. Und aus Sicht des nationalen Interesses wäre dies gut nachvollziehbar.

So wie der Iran haben auch andere Staaten eine Politik des "nuclear hedging" – technisch so weit zu kommen, dass man sich jederzeit nuklear bewaffnen kann – verfolgt. Das ist leicht machbar und innerhalb des Atomwaffensperrvertrags möglich. Doch Trump nimmt einer solchen defensiven Politik jeden Anreiz. Er vollendet damit, was seine Vorgänger George W. Bush und Barack Obama unbeabsichtigt begonnen haben, indem sie den libyschen Diktator Muammar al-Gaddafi 2003 zu einem Verzicht auf Atomwaffen überredet, aber nach Ausbruch des Arabischen Frühlings seinen Sturz dann doch mit militärischen Mitteln betrieben haben. Wäre Gaddafi 2011 im Besitz von Atomwaffen gewesen, wäre er wohl noch heute an der Macht – und hätte sogar Aussichten auf ein Gipfeltreffen mit Trump. Auch Pakistan weiß, dass es seine Stellung als US-Verbündeter trotz Unterstützung für islamistischen Terror unter anderem seinem Atomarsenal verdankt. Man kann davon ausgehen, dass auch anderen Regionalmächten wie Saudi-Arabien dieser Konnex bewusst ist.

Vage Hoffnung statt Verträge

Trumps geopolitischer Doppelpass droht nicht nur das Wettrüsten im Nahen Osten anzuheizen, zu dem auch Israel viel beigetragen hat, sondern das gesamte, von der Atomenergiebehörde IAEA in Wien beaufsichtigte System zur Nichtverbreitung von Atomwaffen zu unterwandern. Das passt in seine Ablehnung internationaler Abkommen. Statt auf Verträge setzt er lieber auf die vage Hoffnung, dass Kim Jong-un tatsächlich auf seine Bomben verzichten wird. Doch die Frage, warum Kim das Werk seines Großvaters und Vaters jetzt leichtfertig aufgeben sollte, kann in Washington niemand beantworten. Denn auch er sieht, was ihm blüht, wenn er keinen "nuklearen Knopf" mehr zum Drücken hat. (Eric Frey, 13.5.2018)