Justizminister Josef Moser (Mitte) braucht einen starken Willen: Er muss nicht nur Kanzler Sebastian Kurz und Vize Heinz-Christian Strache überzeugen, sondern auch die Länder.

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Wien – Es ist schon eine etwas kuriose Situation. Die Regierung möchte noch vor dem Sommer ein sogenanntes Grundsatzgesetz zur Mindestsicherung vorlegen, damit sich alle Bundesländer – ob sie wollen oder nicht – an die im türkis-blauen Regierungsprogramm vereinbarten Eckpunkte halten müssen: also vor allem geringere Leistungen für Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte. Gleichzeitig verhandelt der Bund mit den Ländern darüber, all jene Bereiche, in denen der Bund Grundsatzgesetze erlassen kann, zu beseitigen.

Wer entscheiden darf

Bei der Landeshauptleutekonferenz, die am Donnerstag und Freitag in Wien stattfindet, will Justizminister Josef Moser (ÖVP) erste Vorschläge vorlegen. Konkret geht es um den Artikel 12 der Verfassung. Laut diesem kann der Bund unter anderem beim Armenwesen (also der Mindestsicherung), aber auch beim Spitalswesen oder der Jugendfürsorge Grundsatzgesetze erlassen, die dann von den Ländern mittels Ausführungsgesetzen konkretisiert werden müssen. Wird diese Mischkompetenz abgeschafft, müsste die Mindestsicherung also in die alleinige Zuständigkeit des Bundes oder der Länder fallen.

Abgeschafft und beibehalten

Auf die Reform der Mindestsicherung hätte das unmittelbare Auswirkungen. Denn zwar kann die Bundesregierung noch schnell mit einfacher Mehrheit ein Gesetz verabschieden, mit dem österreichweit einheitliche Mindeststandards für die Sozialhilfe definiert werden. Wird danach aber die Möglichkeit der Grundsatzgesetzgebung (also der Artikel 12) abgeschafft, bräuchte man ein Verfassungsgesetz, damit die kurz zuvor beschlossene neue Mindestsicherung auch in Zukunft noch gilt, wie der Verfassungsrechtler Heinz Mayer im STANDARD-Gespräch bestätigt.

Mit anderen Worten: Türkis-Blau wäre auf die Opposition angewiesen. Im Nationalrat reichen die Stimmen der Neos für eine Verfassungsmehrheit. Im Bundesrat bräuchten die Regierungsparteien jedenfalls die Zustimmung der SPÖ. Die Erklärung dafür: Immer wenn in Kompetenzen der Länder eingegriffen wird, hat der Bundesrat eine absolute Blockademöglichkeit. Da die SPÖ derzeit über mehr als ein Drittel der Mandate in der Länderkammer verfügt, können die Sozialdemokraten ein solches Verfassungsgesetz jederzeit zu Fall bringen.

Sorge um Kosten

Will sich die Regierung solche Probleme ersparen, müsste sie also die Mindestsicherung weiter als Mischkompetenz zwischen Bund und Ländern belassen – also Artikel 12 doch beibehalten.

Die Länder sind jedenfalls schon alarmiert. Bei der Landeshauptleutekonferenz steht nämlich auch die von Türkis-Blau geplante Überführung der Notstandshilfe in die Mindestsicherung auf der Agenda. Die Landesfürsten befürchten dadurch massive Mehrkosten. Regierungsintern wurde darauf bereits reagiert. Die Reform der Notstandshilfe wird nicht gemeinsam mit der Mindestsicherung erledigt, sondern wurde vorerst in den Herbst geschoben.

Noch kein "großer Wurf"

Im Justizministerium ist man zuversichtlich, dass am Freitag erste Ergebnisse vorgelegt werden können. Ein Arbeitspapier wurde vorbereitet, gemeinsam mit den Landeshauptleuten will Moser dann alle Kompetenzen des Artikels 12 durchgehen und neu zuweisen, sodass fortan entweder die Länder oder der Bund zuständig wären. "Machbar ist das, aber der große Wurf einer Staatsreform schaut anders aus", sagt der Verfassungsjurist Mayer. Neben dem Armenwesen, dem Spitalswesen und der Jugendfürsorge sind im Artikel 12 etwa die Zuständigkeiten betreffend "natürliche Heilvorkommen", "öffentliche Einrichtungen zur außergerichtlichen Vermittlung von Streitigkeiten" und den "Schutz der Pflanzen gegen Krankheiten und Schädlinge" geregelt.

Bereits 2017 hatten die Länder zugesagt, den Föderalismus entwirren zu wollen. "Ziel ist das vollkommene Streichen des Artikels 12", erklärte Tirols schwarzer Landeshauptmann Günther Platter im Vorfeld. Hermann Schützenhöfer, ebenfalls von der ÖVP und steiermärkischer Landeschef, sagte am Wochenende in einem Interview, dass er zwar dafür sei, dass sich die Zuständigkeiten für das Armenwesen – also die Mindestsicherung – vorerst nicht ändern. Aber: "Ich könnte mir vorstellen, dass wir etwa im Spitalsbereich dem Bund mehr Verantwortung übertragen." (Katharina Mittelstaedt, Günther Oswald, 14.5.2018)