Zürich/Amsterdam – Wenn wir sprechen, sprechen wir unbewusst einige Wörter langsamer aus als andere. Manchmal machen wir kurze Pausen oder werfen Laute wie "Äh" ein. Solche Verlangsamungseffekte liefern wichtige Hinweise darauf, wie unser Gehirn die Sprache verarbeitet. Sie weisen auf Schwierigkeiten bei der Planung der Äußerung eines bestimmten Wortes hin. Nun zeigt sich, dass wir solche Unterbrechungen im Redefluss vermehrt vor Substantiven einfügen. Vor Verben hingegen gibt es viel weniger Verlangsamung und Pausen, wie Forscher der Universität Zürich um Balthasar Bickel gemeinsam mit Kollegen der Universität Amsterdam herausfanden.

Die Wissenschafter untersuchten, wie Verlangsamungseffekte in verschiedenen Sprachen funktionieren und analysierten dafür tausende Sprachaufnahmen von sprachlich und kulturell verschiedenen Bevölkerungsgruppen aus aller Welt. Darunter waren Sprachen aus dem Amazonas-Regenwald, aus Sibirien, dem Himalaja und der Kalahari-Wüste, aber auch Englisch und Niederländisch. Die Linguisten maßen die Äußerungsgeschwindigkeit in Lauten pro Sekunde und stellten fest, ob die Sprecherinnen und Sprecher entweder vor Substantiven wie "Freund" oder Verben wie "gehen" eine kurze Pause einlegten.

Schwerer planbare Substantive

Sie entdeckten, dass es in dieser vielfältigen Auswahl an Sprachen eine starke Tendenz gab: Während die Sprecher vor Substantiven häufiger Pause machten, taten sie dies vor Verben kaum. Der Grund dafür ist, dass Substantive schwieriger zu planen sind, weil sie normalerweise nur verwendet werden, wenn sie neue Informationen beinhalten. Andernfalls werden sie durch Pronomen ersetzt oder weggelassen.

Solche Ersetzungsprinzipien gelten hingegen nicht für Verben. Sie werden in der Regel unabhängig davon verwendet, ob sie neue oder alte Informationen darstellen, wie die Wissenschafter in der Fachzeitschrift "PNAS" berichteten. Sie stellten zudem fest, "dass Englisch, auf dem die meisten Forschungen basieren, das außergewöhnlichste Verhalten in unserer Studie zeigt", wurde Bickel in einer Mitteilung der Uni Zürich zitiert. Daher sei es wichtig, bei solchen Untersuchungen mehrere Sprachen zu berücksichtigen, etwa auch kleinere, gefährdete Idiome aus der ganzen Welt.

Wie das Gehirn Sprache verarbeitet

Die Befunde helfen laut den Autoren, zu verstehen, wie das menschliche Gehirn Sprache verarbeitet. Dies könnte angesichts der Herausforderungen, vor denen die sprachliche Kommunikation im digitalen Zeitalter steht, wichtige Aufschlüsse liefern. So kommunizieren die Menschen mehr und mehr mit künstlichen Systemen – Systemen, die vor Substantiven nicht verlangsamen, wie es der Mensch natürlicherweise tut. (APA, red, 15.5.2018)