Mit einer Mischung aus Kathak-Tanz und westlichem Modern Dance baut Akram Khan Brücken zwischen den Kulturen.


Foto: Jean-Louis Fernandez

St. Pölten – Akram Khan wurde einmal gefragt, wann er bisher dem Tod am nächsten war. Seine Antwort: "Als mein Vater mir sagte, ich solle sein indisches Restaurant übernehmen." Der heute 43-Jährige hat überlebt und ist mittlerweile einer der meistgefeierten britischen Choreografen. Seine Mischung aus indischem Kathak-Tanz und westlichem Modern Dance, eindrucksvollen Bühneninszenierungen und einem ausgezeichneten Gefühl für Musikalität überzeugt seit gut zwanzig Jahren.

Zurzeit ist Khan mit einer Art Abschiedstournee unterwegs. Xenos, zu sehen am Donnerstag im Festspielhaus St. Pölten, soll das letzte Solowerk sein, in dem der brillante Tänzer selbst auftritt. Das bedeutet nicht das Ende seiner Bilderbuchkarriere, aber doch einen starken Einschnitt im Leben dieses Mannes, der von Beginn an vor keiner Herausforderung zurückschreckte. Weder als Siebenjähriger, als er in einem Dschungelbuch-Stück den Part des Mowgli tanzte, noch mit vierzehn in Peter Brooks neunstündigem Mammutwerk Mahabharata.

Der Vater, ein gestandener Bengali aus Dhaka, der sich mit seiner Familie in Wimbledon niedergelassen hatte, zeigte wenig Verständnis für derlei Mummenschanz. So hatte Khan als Jugendlicher seine Kathak-Tanzstunden heimlich nehmen müssen, wie er später in seinem Solo Desh erzählte. Trotzdem entfleuchte der Sohn der väterlichen Macht, durchlief eine exzellente Ausbildung – unter anderem bei Anne Teresa De Keersmaeker – und gründete im Jahr 2000 seine eigene Company.

Kurz darauf zeigte er, wie internationale Karriere im zeitgenössischen Tanz geht. Kaash, sein erstes abendfüllendes Stück, war eine Kollaboration mit dem Künstlerstar Anish Kapoor und dem berühmten Musiker Nitin Sawhney. Das Portfolio seiner künstlerischen Partner enthält weitere große Namen: von Hanif Kureishi und Antony Gormley über Ben Frost bis hin zu Sylvie Guillem, Juliette Binoche und Kylie Minogue. 2012 gestaltete er außerdem einen Teil der Olympiaeröffnung in London.

Spätestens seit Beginn der Zehnerjahre reißen sich die Veranstalter um Khans Stücke, denn der Brite hat sich den Ruf eines Brückenbauers zwischen den Kulturen erworben. Die Geburt seiner Kinder, sagt er heute, habe ihn politischer werden lassen. Xenos ist das Resultat seiner Ernüchterung – ein dunkler, aber doch von Hoffnung geprägter Tanz zwischen Kriegstrauma und Hellsichtigkeit, gegen eine auseinanderreißende Welt. (Helmut Ploebst, 16.5.2018)