Recep Tayyip Erdoğan (zweiter von rechts) beim Treffen mit den türkischstämmigen Premier-League-Spielern Cenk Tosun (Everton, rechts), Ilkay Gündoğan
(Manchester City, links) und Mesut Özil (Arsenal) in London

PRO: Gelbe Karte

von Andreas Schnauder

Dass die Starkicker Mesut Özil und Ilkay Gündoğan mit ihrer Wahlkampfhilfe für Recep Tayyip Erdogan ein Eigentor geschossen haben, wird kaum jemand bezweifeln. Schwieriger ist schon der Umgang mit dem Fehlschuss. Der Auftritt in London wurde zwar durch die Bank getadelt, zu den Folgen gibt es aber unterschiedliche Ansichten. Am weitesten lehnte sich die rechtsextreme AfD aus dem Fenster, deren Fraktionsvorsitzende meinte, die Profis sollten künftig für die Türkei antreten.

Falsche Motive, teilweise richtige Schlussfolgerung, könnte man sagen. Nicht mangelnder Patriotismus, sondern fehlender Respekt vor Rechtsstaatlichkeit muss den Spielern vorgehalten werden. Zumindest eine Abmahnung unter Androhung einer Sperre wäre angebracht. Erdogan, das sollte sich auch auf Fußballplätzen herumgesprochen haben, lässt Regimekritiker einsperren, unterdrückt die Kurden und demontiert die Demokratie. Özil und Gündoğan sind keine Greenhorns, sondern Kicker mit üppigem Beraterstab. Auch Gündoğan Reaktion am Dienstag, er empfinde den Auftritt als Akt der Höflichkeit, lässt nicht gerade auf Einsicht schließen.

Daher sollte der DFB den Spielern die gelbe Karte zeigen und sie zu einem einwöchigen Paukerkurs in Rechtsstaatlichkeit beim Journalisten Deniz Yücel, der ein Jahr lang in einem türkischen Gefängnis saß, verpflichten. Die Folgen einer zweiten Verwarnung sind beiden ja bestens bekannt. (Andreas Schnauder, 15.5.2018)

KONTRA: Besonnenheit statt Reflex

von Fritz Neumann

Wer wunderbar Fußball spielen und damit Millionen verdienen kann, muss kein Geistesriese sein. Siehe die deutschen Stars Mesut Özil und Ilkay Gündogan, die krass unterschätzten, welche Wirkung ihr Auftritt mit dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan haben würde, geschenkte Trikots samt Widmung inklusive. Das ist die eine Seite.

Wer wunderbar Fußball spielen und damit Millionen verdienen kann, sollte ein Vorbild sein. Diesbezüglich haben Özil, der zum Zeitpunkt seiner Volljährigkeit die türkische Staatsbürgerschaft ablegte, um die deutsche zu erhalten, und der ebenfalls in Gelsenkirchen geborene Gündogan, der deutsch-türkischer Doppelstaatsbürger ist, versagt. Das ist die andere Seite.

Doch das Duo deshalb aus dem Nationalteam ausschließen, wie es reflexartig die AfD gefordert hat? Damit hätte Teamchef Joachim Löw, der gestern seinen WM-Kader mit Özil und Gündogan nominierte, nur weiter eskalierend gewirkt. Klüger wäre es, die Diskussion zu nützen. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) könnte seine Stars künftig dafür einsetzen, integrative Projekte etwa in Schulen oder bei unterklassigen Vereinen zu propagieren. Mag sein, dass die Millionäre davon auch selbst profitieren würden.

Als Kicker werden Özil und Gündogan ohnehin weiterhin ihr Bestes geben – im Aufgebot Deutschlands, des nach den USA zweitgrößten Waffenlieferanten der Türkei. (Fritz Neumann, 15.5.2018)