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Sollen bald auf "scharf" gestellt werden: Fahrverbotsschilder in Hamburg.

Foto: Reuters/Bimmer

Hamburg – Die EU-Kommission erhöht den Druck auf Europas Städte, endlich mehr gegen die Umweltbelastungen vor allem im urbanen Raum zu unternehmen. Gewarnt wurde schon seit Jahren, jetzt hat die Brüsseler Behörde aber Klage beim Europäischen Gerichtshof gegen sechs EU-Länder eingebracht: Deutschland, Frankreich, Ungarn, Italien, Rumänien und das Vereinigte Königreich. Die Kommission hatte schon zuvor ein Vertragsverletzungsverfahren gegen diese Länder eingeleitet – aber keine Verbesserungen registriert.

"Die Entscheidung, Mitgliedsstaaten vor dem Gerichtshof der Europäischen Union zu verklagen, wurde im Namen der Europäerinnen und Europäer getroffen. Wir haben immer gesagt, dass diese Kommission eine schützende Kommission ist. Die heute vor dem Gerichtshof angeklagten Mitgliedsstaaten haben in den zurückliegenden zehn Jahren genügend 'letzte Chancen' erhalten, um die Situation zu verbessern", argumentierte der für die Umwelt zuständige EU-Kommissar Karmenu Vella. Laut EU-Kommission sterben jedes Jahr 400.000 Menschen in der EU an den Folgen von Luftverschmutzung.

Verfahren gegen Österreich

Gegen Österreich läuft bereits ein Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission wegen der NO2-Belastung. Für den menschlichen Organismus ist ja vor allem Stickstoffdioxid (NO2) gefährlich. Hauptverursacher der Stickstoffoxidemissionen ist mit mehr als 50 Prozent der Straßenverkehr.

Bei der Klage gegen die EU-Länder geht es konkret um Missachtung der EU-Grenzwerte, die bereits seit 2010 verbindlich für alle EU-Staaten festgelegt worden sind. In all den Staaten kam es in den letzten Jahren jährlich – wie auch in Österreich – zu bisweilen massiven und langandauernden Überschreitungen.

Worum es geht

Im Fokus stehen zwei Schadstoffe. Die Stickoxide, die vor allem im Straßenverkehr und der Industrie entstehen – und der Feinstaub, ein Emissionsprodukt der Industrie, privater Heizungsanlagen, des Verkehrs und der Landwirtschaft.

Als Beispiele für extreme Überschreitungen nennt die Kommission etwa Italien, wo in 28 "Luftqualitätsgebieten", darunter auch die Regionen Lombardei, Piemont, Latium und Venetien, im Jahr 2016 Tagesgrenzwerte anhaltend überschritten worden seien – bis zu 89 Tage lang.

Citymaut: Große Wirkung

Mit den nunmehrigen Klagen und Vertragsverletzungsverfahren wächst in den Städten der Druck gegenzusteuern. Verkehrsexperten sehen kurzfristig nur zwei Lösungsmöglichkeiten: die Nachrüstung von Dieselfahrzeugen oder Fahrverbote.

Zu diesem Schluss kam jetzt auch eine aktuelle, breit angelegte, vom Land Steiermark beauftragte 140.000-Euro-Studie der Technischen Universität (TU) Graz. Es sollte ganz konkret untersucht werden, welche Maßnahmen zu einer signifikanten Verbesserung der Luftqualität in der "Feinstaubhochburg" Graz führen könnten.

Citymaut

Das Ergebnis: Mit einer Citymaut um acht Euro könnten die Emissionen um 20 Prozent gesenkt werden – aufgrund des geringeren Verkehrsaufkommens. Sehr positiv würde sich auch ein autofreier Tag auswirken. Zudem würde eine Citymaut Gelder für den öffentlichen Verkehr lukrieren. Für den steirischen Verkehrslandesrat Anton Lang (SPÖ) und den Grazer Bürgermeister Siegfried Nagl (ÖVP) kommen aber beide Modelle nicht infrage.

Die ÖVP sei kategorisch gegen eine Maut, sie sei für die Autofahrer zu teuer und daher sozialpolitisch nicht verträglich. Landesrat Lang stimmte bei der Studienpräsentation nickend zu. Die Grünen bezeichneten Lang und Nagl als "feige, verantwortungslose" Politiker. (Walter Müller, 17.5.2018)