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Greift sich kurz vor dem Abgang ob der Regierungspläne noch einmal an den Kopf: Wirtschaftskammer-Chef Christoph Leitl.

Foto: Reuters / Heinz-Peter Bader

Wien – Die Wirtschaftskammer drängt auf eine Lösung für Jugendliche aus Drittstaaten, die in Österreich eine Lehre absolvieren: Für sie sollte es einen Niederlassungstitel geben – und dieser wäre auch die "dringend erforderliche aufenthaltsrechtliche Lösung" für Lehrlinge, die einen negativen Asylbescheid bekommen haben. Dass sie derzeit abgeschoben werden, sorgte für breite Empörung.

"Es ist zu ersten Abschiebungen gekommen – direkt vom Lehrplatz", beklagen denn auch die drei grünen Landesräte Rudi Anschober (Oberösterreich), Martina Berthold (Salzburg) und Gabriele Fischer (Tirol) in einer gemeinsamen Stellungnahme, dass "das Erfolgsprojekt 'Lehre für Asylwerbende in Mangelberufen' in Gefahr" sei.

"Dringend benötigt"

Dabei werden die derzeit rund 800 Asylwerber, die in einem Mangelberuf ausgebildet werden, "von den Betrieben dringend benötigt", unterstreicht die Wirtschaftskammer in der vom scheidenden Präsidenten Christoph Leitl unterzeichneten Stellungnahme. Konkret waren Ende März laut einer Anfragebeantwortung von Sozialministerin Beate Hartinger-Klein an die Neos "österreichweit 832 Lehrlingsbeschäftigungsbewilligungen für Asylwerber/innen aufrecht, 805 davon bei laufendem Lehrverhältnis. Von allen österreichweit erteilten Lehrlings-Beschäftigungsbewilligungen seit 2015 (1.322) sind inzwischen 580 ruhend gestellt worden. Aus den dem AMS und dem Sozialministerium vorliegenden Daten kann daher nicht festgestellt werden, welche Lehrverhältnisse erfolgreich abgeschlossen, abgebrochen oder aus anderen Gründen beendet wurden."

Österreich leide unter akutem Fachkräftemangel, heißt in der Stellungnahme der Wirtschaftskammer "in vielen Branchen und Regionen Österreichs suchen Unternehmen händeringend nach Lehrlingen".

Deshalb habe die Regierung in ihrem Programm einen Niederlassungstitel in Aussicht gestellt, der es Jugendlichen aus Drittstaaten ermöglicht, hier eine Lehre zu absolvieren. In der von Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) vorgelegten Fremdenrechtsnovelle finde sich dieser "wesentliche Punkt" allerdings nicht, bedauert die WKO in ihrer Begutachtung– ebenso das Rote Kreuz.

Die WKO regt an, den Betreffenden nach Abschluss der Lehre einen Umstieg auf eine "entsprechend angepasste Schiene der Rot-Weiß-Rot-Karte" zu ermöglichen. Außerdem bedauert die Kammer, dass mit der Novelle Asylwerbern mit hoher Bleibewahrscheinlichkeit der Rechtsanspruch auf einen Deutschkurs genommen wird.

Verschärfungen für Jugendliche

Auch die Verschärfung für Jugendliche ist Gegenstand kritischer Stellungnahmen der Volksanwaltschaft, des Ludwig-Boltzmann-Instituts für Menschenrechte und der Wiener Landesregierung: Künftig sollen alle für eine Straftat vorgesehenen asylrechtlichen Konsequenzen nicht nur für Erwachsene, sondern auch für Jugendliche gelten. Auch sie sollen nach einer gerichtlichen Verurteilung das Aufenthaltsrecht verlieren oder sogar abgeschoben werden können.

Mit dem Jugendgerichtsgesetz wurde der Tatsache Rechnung getragen, dass Jugendkriminalität meist Ausdruck vorübergehender Probleme bei der Anpassung an die Erwachsenenwelt ist. Deshalb sind für Jugendstraftaten generell gelindere Konsequenzen vorgesehen. Dass die Folgen im Asylbereich für Minderjährige nun die gleichen sein sollen wie für Erwachsene, steht dazu im Widerspruch, stellen die Kritiker fest.

"Anlassgesetzgebung"

Die Volksanwaltschaft lehnt die "massive Verschlechterung" für Jugendliche ab und spricht von "Anlassgesetzgebung". Es müsse für den Asylbereich gleichermaßen gültig sein, dass die Chancen straffälliger Jugendlicher nicht durch weitere Folgewirkungen neben der Strafe erschwert oder unmöglich gemacht werden dürfen, konstatiert das Ludwig Boltzmann-Institut für Menschenrechte. Gerade im Asylbereich müsse dies gelten, meint die Stadt Wien, seien hier doch oft Jugendliche aus schwierigen Umständen, bürgerkriegsähnlichen Situationen, gänzlich anderen Rechtssystemen und mit oftmals psychischer Vorbelastung betroffen – die zudem oft unbegleitet seien und auch im Heimatland keine Familie mehr hätten.

Kritik an Bardgeldabnahme

Die geplante Möglichkeit, Asylwerbern Bargeld abzunehmen, stößt in der Begutachtung der Fremdenrechtsnovelle ebenfalls auf große Skepsis – nicht nur grundrechtlicher, sondern auch ökonomischer Natur: Da viele Asylwerber wenig bis kein Geld mit sich führen, würde diese Maßnahme weit mehr Kosten verursachen als abgedeckt werden könnten, merkten die Stadt Wien, Grüne Landesräte und die Agenda Asyl an.

Gehe man von rund 15.000 Antragstellern aus, würden Eintreibung, Verwaltung und Verrechnung einen Mehraufwand von 2.057.386 Euro verursachen, hat die Wiener Landesregierung berechnet. Diese Mehrkosten wären nur abgedeckt, wenn jeder Asylwerber 257 Euro (120 Euro müssen jedem belassen werden) bei sich hat. Und da stünde "noch immer kein einziger Euro zur Deckung der Grundversorgungskosten zur Verfügung". (APA, 17.5.2018)