Wien – Es kann als versöhnlicher Abschluss einer Ära betrachtet werden, dass die letzte Ehrung, die Wiens Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny (SPÖ) in seiner Funktion vornahm, an den einstigen Kunsthallen-Direktor Gerald Matt ging, der 2012 im Konflikt aus dem Amt schied. Zum Abschied gab es nun das Goldene Verdienstzeichen.

"Diese Auszeichnung soll ein Dankeschön sein und eine Aufforderung weiterzutun", stellte Mailath-Pokorny klar, der am 24. Mai von Veronica Kaup-Hasler als Wiens oberster Kulturpolitiker abgelöst wird. Vor sechs Jahren hatte der damalige Kunsthallen-Direktor Matt nach einer langen Kampagne vornehmlich vonseiten der Grünen und ihres damaligen Kultursprechers Wolfgang Zinggl seinen Rückzug erklärt.

Die juristisch relevanten Vorwürfe wurden später allerdings allesamt vom Obersten Gerichtshof verworfen. Matt hatte Mailath-Pokorny nach seiner Demission auch öffentlich vorgeworfen, ihn nicht unterstützt zu haben.

Weisheit des Rückblicks

"Ja, wir beide hätten uns mit Sicherheit den Ausgang deiner Tätigkeit in der Kunsthalle anders gewünscht und vorgestellt. Und ja, mit der Weisheit des Rückblicks würde man das eine oder andere anders machen. Das gilt für mich und ich nehme an, auch für Dich", packte Mailath-Pokorny bei seiner Begrüßung den Stier bei den Hörnern: "Am Ende des Tages muss man sich in die Augen schauen können und alle Konflikte und Meinungsverschiedenheiten auf eine Art und Weise austragen, dass man sich danach zusammensetzt und wieder in die Augen schaut."

Für Matt habe immer gegolten, Kunst nicht um ihrer selbst willen zu zeigen, sondern als Auseinandersetzung mit dem Publikum: "Nicht populäre Programme waren sein Anliegen, sondern das Zeitgenössische populär zu machen", so der scheidende Kulturstadtrat. "Und ja, Gerald Matt ist auch etwas, das man im positivsten Sinn des Wortes als Dandy bezeichnen kann – einer, der sein Auftreten, sein Aussehen, seinen Habitus kultiviert. Und das ist etwas, das wir in Wahrheit alle tun sollten."

Köhlmeier weniger versönlich

Weniger versöhnlich im Blick auf die Vergangenheit zeigte sich Laudator Michael Köhlmeier in seiner Rede auf seinen Freund. "Gerald Matt ist ein Genie der Inspiration", erinnerte er sich an seine Gedanken beim ersten längeren Gespräch mit dem Kulturmanager.

"Da erhoben sich eines Tages die grauen, nichtssagenden Spießer dieses Landes und ruinierten die Karriere dieses Mannes. Sie kotzten ihr Gift aus und zogen sich anschließend in ihre selbst gestrickten Pullover zurück", metaphorisierte der Schriftsteller die Kampagne gegen Matt, ohne konkrete Personen zu benennen.

"Wenn heute ein Mann geehrt wird, der die Kunst liebt, soll der, der sie hasst, keinen Platz haben", so der Literat: "Ich habe damals solch einen Zorn in mir gehabt und mir bei meinen Spaziergängen Beschimpfungen ausgedacht. Der Mensch, der verleumdet wurde, war mein Freund Gerald Matt, gemeint war aber etwas anderes: die Schönheit." Denn genau diese fürchteten die Kleingeister: "Sie haben Angst, weil sie die Schönheit groß macht, wo sie doch nur gelernt haben, klein zu sein."

Recht auf Schönheit

"Da wird einer zu einem lebenden Manifest – und er hat es gar nicht darauf abgesehen. Nur weil er sich das Recht auf Schönheit herausnimmt", ärgerte sich Köhlmeier auch heute noch: "Dieser Mann gibt mir Mut zu glauben, Eleganz ist möglich. Dieser Mann bewegt und kleidet sich, wie Thomas Mann Romane schreibt: in einer unnachahmlichen Gleichzeitigkeit von Ironie und tiefstem Ernst." Und diese Haltung habe auch stets für Matts Arbeit mit der Kunst gegolten: "Er zeigt mir mit jedem Exponat, dass das Leben schön ist – dass mein Leben schön ist."

Matt selbst hielt sich in seinen Dankesworten hingegen kurz: "Mich mit Michael Köhlmeier messen zu wollen, wäre in jeder Hinsicht überheblich." Er bedanke sich schlicht für die Geste und Mailath-Pokornys Rede: "Ich bin nicht so leicht gerührt, ich war aber doch etwas gerührt."

Neben Matt stand die parallele Verdienstzeichen-Verleihung an die Historikerin Heidemarie Uhl ein wenig im Schatten. Dabei habe sich die 61-Jährige in der Erinnerungs- und Gedenkdebatte immer wieder zu Wort gemeldet – "überparteilich und doch politisch", beschied Mailath-Pokorny. Auch Laudatorin Monika Sommer, Direktorin des Hauses der Geschichte Österreich, würdigte Uhl als prototypische Vertreterin der "Generation Erinnerung", die bahnbrechendes in ihrem Bereich geleistet habe: "Wien wäre ohne Heidemarie Uhls Wirken in der Erinnerungskultur eine bei weitem ärmere Stadt." (APA, 17.5.2018)