Wien/Saint Helier – Im Zusammenhang mit der Anlageskandal um die Immobilienholding Meinl European Land (MEL) – jetzt Atrium – und die Meinl Bank hat vor kurzem laut einem "Kurier"-Bericht das Handelsgericht Wien mehrere Urteile gefällt, die eine neue Klagewelle auslösen könnten.

Die Meinl Bank habe die Anleger in den Werbebroschüren über die Risikogeneigtheit der MEL-Zertifikate "mit Arglist" getäuscht und dieser Tatbestand würde erst nach 30 Jahren verjähren.

Werbung irreführend

"Bankvorstand Peter Weinzierl sah in den Werbefoldern nichts Verwerfliches (...) und wollte nach seiner Angabe niemanden täuschen", schreibt Handelsrichter Andrew Annerl laut dem Zeitungsbericht in einem rechtskräftigen Urteil. "Dennoch fand er sich damit ab, dass Anleger aufgrund der Werbeaussagen im Folder unvollständig informiert werden." Weinzierl habe darauf hingewiesen, dass die Anleger keinen "falschen Eindruck", sondern "einen nicht vollständigen Eindruck in den Werbebroschüren erhalten" haben. "Ein unvollständiger Eindruck ist auch unrichtig", stellt der Richter demnach fest.

Das Oberlandesgericht (OLG) Wien wiederum schießt sich laut dem Bericht auch auf Banker Julius Meinl ein. Er habe u. a. zwei unrichtige Ad-hoc-Meldungen über die angeblich vollständige Platzierung einer MEL-Kapitalerhöhung "wissentlich genehmigt".

"Dass Julius Meinl aufgrund seiner Kenntnis von der Unrichtigkeit der Ad-hoc-Meldungen eine Irreführung bzw. Täuschung des Anlegerpublikums in Kauf nahm, liegt auf der Hand", heißt es in einem OLG-Urteil vom 9. Mai 2018 laut "Kurier". Indes bestreitet die Bank, dass Julius Meinl "von der Unrichtigkeit der Mitteilungen wusste".

Mögliche Klagewelle

"Für die Meinl Bank haben diese Arglist-Urteile nun fatale Folgen", schreibt der "Kurier". Der Tatbestand Arglist sei im Zivilrecht, was im Strafrecht der Betrug sei und verjähre erst nach 30 Jahren. Die Anleger hätten also ab Kenntnis ihres Schadens 30 Jahre Zeit, gegen die Meinl Bank vor Gericht zu ziehen. Voraussetzung sei dabei, dass sie die MEL-Zertifikate in den Jahren 2005 bis 2007 gekauft haben und noch über die entsprechende Unterlagen verfügen.

"Wir rechnen damit, dass sich für etwa 70.000 der 100.000 MEL-Anleger diese neue Möglichkeit ergibt, die Ansprüche einzuklagen", so AdvoFin-Vorstand Franz Kallinger laut "Kurier". Auf zumindest zehn Prozent schätzt AdvoFin die Zahl jener MEL-Anleger, die jetzt neu in den Ring steigen werden.

Geschätztes Schadensvolumen: 100 bis 150 Millionen Euro. Er will bis Ende Juni 400 Klagen einbringen. Alleine im April habe AdvoFin 41 Urteile gegen Meinl erstritten. "98 Prozent aller Verfahren gewinnen wir", so AdvoFin-Vorstand Gerhard Wüest.

"Die Meinl Bank wird diese Entscheidungen, deren Grundlage aus den Beweisergebnissen überhaupt nicht herleitbar ist, weiter vehement bekämpfen. Darüber hinaus geben wir zu laufenden Verfahren keine Kommentare ab", kommentiert die Meinl Bank die Gerichtsentscheidungen.

"Die Entscheidungen sind der Meinl Bank bekannt, sind aber in zweiter Instanz vereinzelt geblieben", so die Bank. (APA, 18.5.2018)