Bild nicht mehr verfügbar.

Foto: AP Photo/Alastair Grant

Als der englische König Edward VIII 1936 die zweifach geschiedene Amerikanerin Wallis Simpson heiraten wollte, löste das eine Staatskrise aus. Edward musste auf den Thron verzichten – angesichts seiner Sympathien für Adolf Hitler ein Glück für die Welt.

Als die Königinschwester Margaret 1966 Oberst Peter Townsend heiraten wollte, untersagte ihr dies die Queen. Denn Townsend war geschieden; Margarets spätere Heirat mit einem Hoffotografen scheiterte. Als Prinz Charles in den 1970er-Jahren eine Braut suchte, war klar, dass diese adelig und jungfräulich sein müsse. Diana wurde von der Familie auserkoren – eine Traumhochzeit, die in einem öffentlich ausgetragenen Ehedrama und einer Tragödie mündete.

Und nun Meghan Markle: Dass Dianas zweiter Sohn Harry eine geschiedene US-Schauspielerin mit eher lockerem Lebenswandel und einer schwarzen Mutter heiratet und diese Hochzeit vom Königshaus, den britischen Medien und der Öffentlichkeit als normal betrachtet wird, ist die faszinierende Geschichte hinter diesem sonst so absurden Medienspektakel.

Sie zeigt nämlich, wie sehr sich im reichen Westen die Gesellschaft verändert hat. Vor einer Generation wäre Markle weder von den Windsors noch von deren Untertanen akzeptiert worden. Heute begeistert diese schöne, kluge, selbstbewusste und beruflich erfolgreiche Frau, die Prinz Harry ganz und gar auf Augenhöhe begegnet, die Nation. Das Vereinigte Königreich ist anders, als es einmal war.

Und das Königshaus auch. Es nähert sich in Trippelschritten dem skandinavischen Modell mit seinem bürgerlichen Monarchen an. Adel spielt selbst bei der Heirat keine Rolle mehr, was sich schon bei Williams Ehe mit der Mittelschichtstochter Kate Middleton gezeigt hat. Europa entledigt sich damit der allerletzten Reste eines Wertesystems, das jahrtausendelang Politik und Gesellschaft dominiert hat.

Tabu Scheidung

Die Harry-und-Meghan-Hochzeit am Samstag zeigt auch, dass Scheidung selbst in konservativsten Kreisen kein Tabu mehr darstellt. Das gilt auch für die meisten Katholiken. Die Queen, für die eine Wiederverheiratung einst verpönt war, hat dies aus schmerzlicher Erfahrung gelernt: Drei ihrer vier Kinder sind geschieden, der Rosenkrieg zwischen Charles und Diana wurde für das Königshaus zu einem Desaster. Als die Queen 1997 zum Unfalltod der vom Volk geliebten, aber von ihr verstoßenen Schwiegertochter zunächst schwieg, war schon vom Ende der Monarchie die Rede.

Doch schließlich fand die Queen passende Worte, Charles heiratete seine alte Liebe Camilla, die Skandale ließen nach, und die nächste Generation erkämpfte sich das Recht, ihr Leben viel freier zu gestalten. Bei Harry führte das zu so manchen peinlichen Momenten, aber für die Wahl seiner Braut gab es von Anfang an fast nur Applaus. Das Recht, das eigene Glück abseits aller Zwänge zu suchen und zu verwirklichen, steht heute auch Prinzen zu. Auch in der berühmtesten Familie der Welt wandeln sich die Prioritäten.

Allerdings: Selbst wenn in der britischen Oberschicht die Hautfarbe keine Rolle mehr spielt, ist der Rassismus immer noch präsent – und seit dem Brexit-Votum noch stärker zu spüren. Der Glamour und Reichtum rund um diese Hochzeit deuten auf neue soziale Risse, die auch beim Brexit sichtbar wurden. Die alten Hierarchien sind zerbrochen, aber die Gesellschaft ist deshalb nicht gerechter geworden. (Eric Frey, 18.5.2018)