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Babiš (li.) traf Österreichs Bundeskanzler Kurz.

Foto: AP Photo/Ronald Zak

Prag/Wien (APA) – Der geschäftsführende tschechische Premier Andrej Babiš spricht sich gegen eine weitere Annäherung der Mitgliedsländer innerhalb der Europäischen Union, wie sie Frankreichs Präsident Emmanuel Macron vorschwebt, aus. "Wir brauchen keine weitere Integration", sagte der Chef der Protestbewegung ANO am Samstag im "Morgenjournal" des ORF-Radios Ö1. Er lehne auch eine EU der zwei Geschwindigkeiten ab.

Es sei schwer zu messen, welche Länder dann welcher Gruppe angehören sollten, argumentierte Babiš. Sein Land habe beispielsweise eine niedrige Arbeitslosigkeit und ein hohes Wirtschaftswachstum. Dass nur die Länder der Eurozone als "die Besten" betrachtet würden, stellte der Unternehmer und Multimillionär infrage. Die EU-Position seiner Bewegung umriss Babiš folgendermaßen: "Wir sind sehr proeuropäisch, aber auch sehr kritisch." Er sei der Meinung, dass nicht die EU-Kommission Politik machen, sondern den einzelnen Staaten mehr Einfluss eingeräumt werden sollte. Macron hatte in der Debatte um die Reform der Europäischen Union zuletzt immer wieder vor einem "Rückzug auf nationale Egoismen" gewarnt.

"Superprojekt"

"Ich bin nicht skeptisch, die EU ist ein Superprojekt", betonte Babiš aber. Durch die Union gebe es "seit mehr als 70 Jahren Frieden" in Europa und "freie Bewegung von Leute und Waren". In manchen Fragen, wie dem "Brexit" oder dem von den USA aufgekündigten Iran-Atomabkommen, habe die EU ohnehin eine "solidarische" Position. In anderen Fragen seien unterschiedliche Ansichten vorhanden.

"In der Flüchtlings- und Migrationsfrage müssen andere Länder, die eine ganz andere Geschichte haben, unsere Position verstehen. Es kommen aber Politiker in Europa, welche uns verstehen." Tschechien führt gemeinsam mit den anderen Visegrád-Staaten (Slowakei, Polen und Ungarn) seit Jahren das Wort gegen die verpflichtenden Verteilungsquoten für Flüchtlinge in der EU. Mit Österreich haben sie seit der Angelobung der schwarz-blauen Regierung im Dezember 2017 einen Verbündeten.

Inwieweit und warum die Geschichte Tschechiens bzw. der ehemaligen Tschechoslowakei in der Migrationsfrage berücksichtigt werden müsse, erläuterte Babiš in dem Interview nicht weiter. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren rund drei Millionen Deutschsprachige (Sudetendeutschen) aus der Tschechoslowakei vertrieben worden und vorwiegend nach Deutschland und Österreich geflüchtet. Nach dem Einmarsch der Warschauer Pakt-Truppen Ende August 1968 im Zuge der Niederschlagung der Reformbewegung "Prager Frühling" gab es eine Flüchtlingsbewegung aus der damaligen CSSR. "Wir schätzen, dass 160.000 Menschen aus der Tschechoslowakei nach Österreich ausgereist sind", sagte die tschechische Botschafterin Ivana Červenková diesbezüglich jüngst im APA-Interview.

Festempfang im Wiener Rathaus

Babiš war am Freitag mit Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) zusammengetroffen. Am Samstag findet ein Festempfang zum "Prager Frühling" im Wiener Rathaus statt. Der erfolgreiche Unternehmer ist seit Dezember 2017 Regierungschef, seit Jänner 2018 aber nur noch geschäftsführend. Damals scheiterte sein Kabinett bei der Vertrauensabstimmung, doch beließ ihn Staatspräsident Miloš Zeman im Amt. Zur Zeit versucht Babiš, ein Minderheitskabinett seiner Protestbewegung ANO mit den Sozialdemokraten (CSSD) auf die Beine zu stellen, das auf die Duldung durch die Kommunisten angewiesen wäre. Ob dieses Projekt gelingt, ist nicht ganz sicher, auch weil die CSSD dazu ein innerparteiliches Referendum durchführt. Ein Streitpunkt ist, dass die Polizei gegen den Unternehmer wegen mutmaßlichen EU-Subventionsbetrugs ermittelt.

Gegenüber dem Ö1-Morgenjournal sagte Babiš, er sei mit dem "Proporzsystem" in Tschechien "nicht zufrieden", da es "viele Nachteile" habe. Bei einem System "wie in Frankreich oder den USA", wo der Wahlsieger die Regierungsgeschäfte übernehme, "wäre die Sache leichter". Die Chancen auf eine erfolgreiche Kabinettsbildung schätzte der 64-Jährige auf "50:50". Dass er dabei wohl auf eine Unterstützung der Kommunisten angewiesen sein wird, irritiert Babiš indes nicht: "Sie werden nicht in der Regierung sein, sondern nur ermöglichen, dass die Regierung das Vertrauen vom Parlament bekommt." (APA, 19.5.2018)