Die Polizei hat prinzipiell das Recht, Verkehrsteilnehmer zu stoppen. Nun wird ihr in Wien ein Fall von Racial Profiling vorgeworfen.

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Jane D. und ihre Freundin waren vergangenen Mittwoch auf einer Kinopremiere in Wien gewesen, am späten Abend fuhren sie nachhause. Sie passierten die Urania auf der ganz linken Spur, rechts stand die Polizei, um Fahrzeuglenker zu kontrollieren, erzählt Jane, die anonym bleiben will, dem STANDARD. Sie hielt sich an den Verkehrsfluss, kein anderes Auto stoppte, da die Polizei ja auch eine Spur weiter am rechten Straßenrand postiert war.

Als Jane an der nächsten roten Ampel stehenblieb, stürmten plötzlich vier Polizisten zu ihrem Auto. Sie gibt an, die Hände ruhig am Lenkrad gehabt zu haben, dennoch schlug ein Polizist mehrfach gegen ihr Fenster. Das ist die Version von Jane und ihrer Beifahrerin. Die Polizei sagt, dass sich das Auto "der Anhaltung entzogen" habe, indem dessen Lenkerin nicht auf das Signal der Polizei reagierte – wenngleich Jane nicht beschleunigte und wenige Meter später bei der roten Ampel stehenblieb.

Facebook-Video: "Sie wissen, was in den Staaten passieren würde"

Was folgt, wird in einem Facebook-Video dokumentiert, das Janes Beifahrerin aufnahm und das dem STANDARD vorliegt. Auf Nachfragen von Jane, warum sie gestoppt wird, sagt der Beamte auf Englisch: "Sie wissen, was Ihnen in den Staaten passieren würde, wenn Sie sich so verhalten würden." Für die schwarze US-Amerikanerin, die seit 2001 in Wien lebt, eine Anspielung auf die Polizeigewalt gegen Afroamerikaner. Dazu kommt, dass sowohl der Polizist, der die Kontrolle durchführte, als auch ein weiterer Beamter vor dem Auto zu ihrer Pistole griffen.

Das ist zwar nicht zu sehen, wird im Video aber von dem Beamten verbal bestätigt. "He was pulling his gun, you were pulling your gun", sagt Jane zum Beamten: Er hat seine Pistole gezogen, Sie haben Ihre Pistole gezogen. Ja, weil das Fahrzeug mit den zwei jungen Frauen "nicht stehenblieb", erklärt der Polizist. Die Pressestelle der Polizei bestätigt, dass mindestens ein Beamter zur Waffe griff und erklärt, dass dies "im Sinne der Eigensicherung" gerechtfertigt gewesen sei. Nach einem Alkoholtest und dem Vorzeigen ihrer Papiere darf Jane weiterfahren.

Vorwurf des Ethnic Profiling

Sie und ihre Begleiterin erheben nun den Vorwurf, dass die Polizei sogenanntes "Ethnic Profiling" angewandt habe. Die anderen Fahrzeuglenker konnten weiterfahren, den Griff zur Pistole hätte es bei zwei weißen jungen Frauen nicht gegeben, denkt Jane. Dazu kommt die Anspielung auf Polizeigewalt in den USA. Prinzipiell ist das Vorgehen der Beamten legal: Polizisten dürfen ohne Einschränkung Fahrzeuglenker kontrollieren und zur Eigensicherung auch zu ihrer Waffe greifen. Doch die Frage ist, ob es zu einer Ungleichbehandlung gekommen ist.

Die Polizei gerät seit Jahrzehnten wegen rassistischer Vorfälle in die Schlagzeilen. Erst diese Woche ging der Kampf um Schadenersatz für Polizeiopfer Bakary J. weiter – er war vor zwölf Jahren von drei Beamten gefoltert worden. In einer Umfrage berichten 66 Prozent dunkelhäutiger Befragter, in den vergangenen fünf Jahren von der Exekutive angehalten worden zu sein. Die Mehrheit erlebte das als "Racial Profiling" – sie denken also, nur wegen ihrer Hautfarbe kontrolliert worden zu sein. Die Antirassismus-Initiative Zara bemängelt regelmäßig rassistische Polizeihandlungen, die Beamten seien "auf diesem Auge blind". Jane hat sich nun an Zara gewandt, um den Vorfall klären zu lassen. Bei einem Anruf bei der Polizei kurz nach dem Vorfall waren ihr die Dienstnummern der Beamten verweigert worden. (fsc, 20.5.2018)