Drei Wochen sind nun schon vergangen, seit ich mit dem Schritt aus dem Flugzeug in Schwechat meinen einmonatigen Versuch als digitale Nomadin auf Bali beendet habe. Es war sonnig bei meiner Ankunft in Österreich, die Luftfeuchtigkeit angenehm niedrig im Vergleich zu Indonesien. Bali ist traumhaft, keine Frage. Aber Wien im Frühling ist auch nicht zu unterschätzen, was mir die Rückkehr durchaus erleichtert hat.
 
Ein Wochenende lang hatte ich Zeit, meinen Jetlag auszuschlafen und mich zu akklimatisieren. Dass sich der erste Tag zurück im Büro nach einem Monat Remote Working auf Bali ein wenig seltsam anfühlt, ist klar. Ich hatte mich schnell wieder eingewöhnt, dennoch gibt es auch nach lediglich vier Wochen abseits des normalen Arbeitsalltags einige Erkenntnisse, zu denen ich gelangt bin.

Arbeitszeiten: Lieber flexibel oder fix?

Was mir gerade in der ersten Zeit zurück in meinem normalen Arbeitsalltag gefehlt hat, war die Flexibilität der Arbeitszeiten. Einerseits hat mich das unregelmäßige Arbeiten – oft früh morgens oder spät abends und an Wochenenden – auf Bali zwar aus der Balance gebracht. Andererseits konnte ich nicht nur persönlich, sondern auch beruflich davon profitieren: Ich habe zu Zeiten gearbeitet, in denen ich motiviert und konzentriert war, beispielweise gleich nach dem Aufstehen, wenn ich normalerweise die meiste Energie habe und mich am besten fokussieren kann. Phasen, in denen ich während der Arbeitszeit müde war oder Ablenkung brauchte, gab es kaum, da ich immer den Anreiz hatte, meine Arbeit effizient und gut zu erledigen, damit ich auch noch etwas unternehmen konnte. 

Das ist auf jeden Fall eine Erkenntnis, die ich für mich mitnehme: Es ist sinnvoll, für sich selbst herausfinden, wann und auch wo man am effektivsten arbeiten kann und genau diese Zeiten und Orte nutzen. Es ist heutzutage für immer mehr Arbeitgeber kein Problem, wenn man ab und zu von zuhause aus arbeitet, solange es der Job zulässt. Gerade wenn man wie ich in einem Großraumbüro arbeitet, tut die Ruhe in den eigenen vier Wänden ab und zu gut. Wieso sollte man davon nicht Gebrauch machen?
Auch in Momenten, in denen einen das allseits bekannte Nachmittagstief überkommt: Sich hin und wieder für ein paar Minuten die Beine zu vertreten, hilft oft, um danach wieder richtig konzentriert weiterarbeiten zu können. Solange die Arbeit auf einem guten Niveau und zeitgerecht erledigt wird, haben wohl die wenigsten Arbeitgeber ein Problem damit. 

Bei dieser Herangehensweise an das Arbeiten außerhalb der klassischen Bürozeiten sollte man darauf achten, eine klare Trennlinie zwischen Beruf und Freizeit zu ziehen. Dass das nicht jedem Menschen liegt, ist klar – ich selbst habe aber durch das Remote Working gelernt, die eigenen „Hochs“ zu nutzen, um meine Aufgaben möglichst fehlerfrei, kreativ und mit Spaß zu erledigen und die „Tiefs“ mit einem kurzen Tapetenwechsel zu überbrücken.

Mein Arbeitsplatz im Coworking-Space auf Bali war zu jeder Tages- und Nachtzeit zugänglich.
Foto: Alexandra Eder

Professioneller Austausch auf einer anderen Ebene

Eine weitere positive Erfahrung, die ich aus meiner Arbeitserfahrung auf Bali mitnehme, sind die internationalen Kontakte, die ich unter anderem bei dem einen oder anderen Nachmittagskaffee oder mit meinen Sitznachbarn im Coworking-Space geknüpft habe. Digitale Nomaden sind durch die Bank sehr offene Menschen und in so einer Umgebung ergeben sich schnell nette und interessante Gespräche.

Abseits des kulturellen und privaten Austauschs habe ich in diesem Monat mehr Personen aus den verschiedensten Branchen kennengelernt als je zuvor – das ging vom App-Entwickler über den Meditationscoach oder die Pressemitarbeiterin eines Forschungsmagazins bis hin zur Fernsehmitarbeiterin, die regelmäßig mit den bekanntesten Schauspielern der Welt zu tun hat. Die Hilfsbereitschaft untereinander ist groß, genauso wie das Streben nach gegenseitigem Informationsaustausch. Gerade Personen mit Jobs und fachspezifischem Know-How im Social-Media- und Marketing-Bereich, in dem ich auch tätig bin, habe ich sehr oft getroffen, wovon ich natürlich profitieren konnte.
Ich kann mich nach diesem Monat glücklich schätzen, mich mit Personen auf einer freundschaftlichen Basis unterhalten zu können, die für Global Player tätig sind. Derartige Kontakte und vor allem in so einer Vielzahl konnte ich zuvor noch nicht knüpfen – vor allem nicht ungezwungen neben beziehungsweise zwischen der Arbeit.

Der Garten des Coworking-Space eignet ist bestens für Kaffee und Networking.
Foto: Alexandra Eder

Profitabel in vielerlei Hinsicht

Dazu kommt natürlich der Lifestyle in beliebten Digital-Nomad-Destinationen wie Bali oder Thailand hinzu. Ausschlaggebend ist für viele Auswanderer das gute Wetter und die oft unmittelbare Nähe zum Meer – perfekt für all jene, denen Aktivitäten wie Surfen oder Tauchen mehr liegen als Schifahren oder Wandern.
Hinzu kommt, dass die Lebenshaltungskosten geringer sind als in Mitteleuropa, man kann vergleichsweise günstig einen hohen Lebensstandard pflegen. Das beginnt bei den Unterkünften und geht über Fortbewegungsmittel bis hin zu Kleidung und frischem, gesunden, hausgemachten Essen, das man sich an jeder Straßenecke überaus preiswert holen kann. Damit geht aber auch eine gewisse Schieflage einher: Digital Nomads verdienen teilweise europäische oder US-amerikanische Gehälter und führen in Asien oft ein sehr komfortables Leben, wohingegen sich Einheimische abrackern, um nur einen Bruchteil dessen zu verdienen und ihre Familien ernähren zu können. 

Verlockend: Wenn das Büro nur eineinhalb Stunden vom Meer entfernt ist.
Foto: Alexandra Eder

Die Vorstellung vom Urlaub im Tarnumhang

Doch wer glaubt, Remote Working sei wie Urlaub mit ein bisschen E-Mails-Lesen zwischendurch, irrt. Natürlich geht von Haus aus ein gewisses Urlaubsfeeling mit einer Reise in ein fremdes Land einher, vor allem wenn Wetter und Natur so paradiesisch sind wie auf Bali. Aber genau das ist die Herausforderung: Die Balance zu finden zwischen „entdecken“ oder „entspannen“ und dem Arbeitsalltag, in dem man einfach konzentriert arbeiten und Leistung erbringen soll. 
Der vergleichsweise kurze Zeitraum von vier Wochen, in dem ich Remote Working ausprobiert habe, ist eher als Abenteuer und Versuch anzusehen. Wer sich wirklich langfristig ein Leben als digitaler Nomade im eigentlichen Sinn aufbauen will, muss sich dessen bewusst sein, dass das nichts mit Langzeiturlaub zu tun hat. Man braucht in erster Linie einen Job, der dafür geeignet ist – oft bedeutet das, selbstständig zu arbeiten, was mit viel Eigenverantwortung und Risiko verbunden ist.

Sein eigener Chef zu sein, birgt genauso viele Chancen wie Risiken.
Foto: Alexandra Eder

Alles ist möglich

Bereits in meinem ersten Blogbeitrag habe ich erwähnt, dass es mir wichtig ist, ab und zu aus meinem Alltag auszubrechen und meine Komfortzone zu verlassen, um mich weiterzuentwickeln und neue Ansichten und Blickwinkel kennenzulernen. Ich habe es immer wieder ausprobiert, sei es nun mit einem Auslandssemester während des Studiums, Praktika und Jobs im Ausland oder eben diesem Remote-Working-Aufenthalt auf Bali – und ich habe es nie bereut, im Gegenteil. 
Heutzutage gehört es in vielen Jobs zum Alltag, zu reisen und sich in unbekannte Länder und Kulturen zu begeben. All jenen, deren Arbeit das nicht per se mit sich bringt, kann ich persönlich nur ans Herz legen, nach Abwechslung zu suchen und wenn möglich, auch abseits des Urlaubs über die Grenzen des Heimatlandes hinauszuschauen. Von den bereits angesprochenen professionellen Kontakten abgesehen, erweitert es den Horizont, sich in unbekannte Umgebungen und Kulturen zu begeben. Wer alleine für längere Zeit ins Ausland reist, realisiert ziemlich schnell, dass eigentlich jede Situation irgendwie zu bewältigen ist, so verfahren sie im ersten Moment auch scheint – dieses Bewusstsein kann man auch im gewohnten Arbeitsalltag gut brauchen. 

Ein letztes Resümee

Mein Job als Kommunikationsmanagerin hat diese vier Wochen physische Abwesenheit zugelassen, ein längerer Zeitraum wäre aber schwierig geworden – ich habe jetzt schon gemerkt, dass ich einige Entwicklungen oder Neuigkeiten nicht mitbekommen habe, die sich in der Zeit meines Bali-Aufenthaltes ergeben haben. Ich konnte in dieser Zeit keine persönlichen Termine wahrnehmen und die Teilnahme am Jour fixe per Videocall hat aufgrund technischer Probleme oder der Internetverbindung auch nicht immer geklappt. Einen Monat konnte ich überbrücken, aber für das Leben als dauerhafte digitale Nomadin wäre auch mein Job nicht geeignet. 
Für mich persönlich war es trotzdem eine Erfahrung, die ich, wenn sich die Möglichkeit dazu ergibt, jederzeit wiederholen würde. Allerdings könnte ich mir nicht vorstellen, wahllos ins Ausland zu gehen, einfach um meinen Arbeitsort zu wechseln. Auch nicht unbedingt, auf Dauer so zu leben. Ebenfalls müsste es eine Destination sein, die mich entweder kulturell oder aus beruflichen Aspekten in einem derartigen Ausmaß reizt, dass ich dort mehr Zeit verbringen wollen würde als den klassischen zwei- bis dreiwöchigen Urlaub.

Ich habe eine sehr eindrucksvolle Zeit mit wertvollen Erkenntnissen, Bekanntschaften und Eindrücken auf Bali verbracht, wobei ich einen unglaublich spannenden Einblick in die Welt des Remote Workings bekommen habe – eine digitale Nomadin im eigentlichen Sinn ist in diesem einen Monat aber noch nicht aus mir geworden. (Alexandra Eder, 23.5.2018)

Weitere Beiträge der Bloggerin

Hinweis: Die Bloggerin wurde nach einer Bewerbungsphase auf Einladung von DER STANDARD in den Coworking-Retreat geschickt. Sie berichtet zweimal pro Woche über ihre Erfahrungen, ihre persönlichen Eindrücke, das Leben von digitalen Nomaden und das Arbeiten in einem Schwellenland. Die Aktion wird in Zusammenarbeit mit der Firma Unsettled durchgeführt. Die inhaltliche Verantwortung liegt zur Gänze beim STANDARD.