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Osteoporose führt zu einer Abnahme der Knochendichte und einer erheblichen Frakturanfälligkeit. Betroffen sind vor allem ältere Frauen.

Foto: picturedesk / Science Photo Library

Mit 350 einzelnen Skelettknochen kommt ein menschlicher Säugling auf die Welt. Im Erwachsenenalter sind sie auf eine Zahl von 206 Knochen verschmolzen. Das passiert durch einen fortwährenden Umbau der lebenden Substanz. Eingelagerte Mineralien stabilisieren den Knochen, und Kollagenfasern geben die nötige Elastizität.

Alles Erkenntnisse, die aus der Medizin stammen. Manchmal benötigt diese allerdings Unterstützung aus den Bereichen Physik, Mathematik und Chemie – oder aus der Biomechanik. Die Forscher der Karl Landsteiner Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften in Krems (KL Krems) brechen Knochen und studieren so deren Strukturen und deren Belastbarkeit.

Schmerzlose Veränderungen

In dem erst kürzlich eröffneten Biomechanik-Labor (BMLAB) an der KL Krems untersucht Dieter Pahr mit seiner neunköpfigen Forschungsgruppe biologische Gewebe und deren Eigenschaften. In enger Zusammenarbeit mit dem hauseigenen Fachbereich Anatomie und anderen Universitäten liegen die Schwerpunkte in Erkrankungen des Bewegungsapparats, Orthopädie und Traumatologie. Mit 3D-Druck, Röntgen-Mikrocomputertomografie und komplexen Computersimulationen wird das Material bis ins letzte Detail unter die Lupe genommen.

Voraussetzung dafür ist ein breites Grundlagenwissen. "Osteoporose beispielsweise wird zu selten diagnostiziert. Patienten empfinden keinen Schmerz, die Osteoporose wird nicht erkannt", sagt Pahr. Durch Mangel an Vitamin D oder körperlicher Aktivität sowie hormonelle Umstellung im Alter verändert sich der Knochen. Die Knochenmasse vermindert sich, und es kommt zu Veränderungen im Mikrobereich.

Dadurch ist die Knochensubstanz instabil und bricht leichter. Wie alle Materialien erleiden auch Knochen unter Krafteinwirkung eine Deformation. Wann genau diese zu einem Bruch führt, hängt von der Höhe der Last und deren Einwirkrichtung ab. Während nach einem Sturz ein Beinbruch die äußere Gewalteinwirkung offensichtlich macht, werden bei der Osteoporose gebrochene Wirbel als chronische Rückenschmerzen wahrgenommen.

Arbeit mit Körperspenden

Um mehr über diese Prozesse herauszufinden, erheben die Techniker klinische Patientendaten und ergänzen sie durch eigene Untersuchungen. Hauptsächlich arbeiten sie mit Teilen des Oberschenkelknochens, des Knies und der Wirbelkörper. Die Knochen werden innerhalb von 24 Stunden entnommen und tiefgekühlt angeliefert. Sie stammen von Körperspendern oder OP-Abfall. Im Labor werden sie zugeschnitten, in Kunststoff eingebettet und belastet.

"Da ältere Menschen öfters fallen, ist der Knochen einer Last ausgesetzt, für die er nicht gebaut ist. Während ein stärkerer Oberschenkelknochen eine Last von 1,5 Tonnen aushält, zerbricht ein schwacher bereits bei 500 Kilo", sagt Paar. Durch die zusammengetragenen Werte kann in einer Computersimulation die Knochenbelastungsgrenze virtuell berechnet werden.

"Die standardisierte Knochendichtemessung allein ist bei Osteoporose nicht ausreichend. Patientenspezifische Simulationen von Lastrichtungen sind besser geeignet, das Bruchrisiko vorherzusagen. Je mehr Werte wir in den Computer einpflegen, desto genauer wird die Aussage über einen möglichen Knochenbruch sein", sagt Pahr. "Natürlich es braucht mehr als nur biomechanische Forschung. Eine Brille, ein Hörgerät, vermiedene Stolperfallen und eine gute Muskelkontraktion helfen gegen das Hinfallen", fügt er hinzu.

Einblick in die Knochenstruktur

Bei Knochenmessungen im Labor kommt ein Röntgen-Mikrocomputertomograf zum Einsatz. Im Vergleich zur Computertomografie (CT) des Klinikalltags ist die Auflösung hier bis zu hundertmal höher – allerdings ist die Strahlenbelastung höher. "Diese Auflösung erlaubt einen einzigartigen Einblick: beispielsweise wie implantierte Schrauben mit der Knochenstruktur verbunden sind", sagt Pahr.

Ein weiteres Forschungsprojekt der KL Krems widmet sich der Optimierung von 3D-Druck für Gewebenachbildungen. Sie dienen dem Training der Ärzte für operative Eingriffe. Hier liegen die technischen Herausforderungen in der Beschaffenheit des Druckmaterials sowie in den nötigen Voruntersuchungen am menschlichen Gewebe. Es müssen haptisch idente Silikonmischungen gefunden werden, die Sehnen, Muskeln oder Knorpeln sehr nahekommen.

Gewebe aus dem 3D-Drucker

"Patientenspezifische Druckmodelle sind weder ausgereift noch leistbar. Sie kosten um die 1000 Euro und sind nach 40 Stunden gedruckt. Leider ist die Technik auch noch sehr fehleranfällig", schildert Pahr. "Gerade entwickeln wir effizientere 3D-Drucker und arbeiten an der vollautomatischen Entnahme von Druckdaten aus klinischen CT-Bildern."

Geplant sind Modelle zur Prostataentfernungen und Knieoperationen. Durch die Arbeit an solchen Modellen wissen die Chirurgen bereits vor dem operativen Eingriff am Patienten, welche Werkzeuge sie benötigen und ob diese verfügbar sind. Ziel ist eine stärkere Etablierung der Biomechanik im klinischen Umfeld – und dadurch letztlich auch eine Verbesserung der Lebensqualität der Patienten. (Sandra Fleck, 25.5.2018)