Abkühlung auf chinesisch: Hitzegeplagte Städter müssen sich an das verschärfte Klima anpassen – Wasserparks wie dieser werden wohl nicht genügen.

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Diesen Sommer mag man sich lieber nicht ausmalen: 2050 könnte es in Österreich bis zu 70 Tage mit sehr heißen Temperaturen geben, die tagsüber nicht mehr unter 30 Grad Celsius und nachts nicht unter 20 Celsius Grad sinken. Folgen mehrere solche Tage aufeinander, bringt auch das morgendliche Zuziehen der Vorhänge und das abendliche Lüften keine Linderung mehr, man kann sich kaum noch erholen.

Extremer werdende Hitzewellen sind den aktuellen Klimamodellen zufolge sehr wahrscheinlich, sagt Willi Haas von der Universität für Bodenkultur Wien. Der Sozial- und Humanökologe erforscht die gesundheitlichen Auswirkungen des Klimawandels insbesondere für ältere Menschen. Deren Zahl wird sich in Österreich bis 2050 verdoppeln. Haas untersucht, für welche negativen Klimawandelfolgen sie anfällig sind und mit welchen Mitteln sich die Auswirkungen verringern lassen.

Tödliche Hitze

Zunehmende Hitzeextreme werden nicht die einzigen Folgen des Klimawandels sein, wohl aber die massivsten. Schon jetzt seien längere, am Jahresmittel gemessen heißere und früher im Jahr auftretende Hitzewellen zu beobachten, berichtet der Experte. Wenn die Temperaturen an mindestens drei aufeinanderfolgenden Tagen 30 Grad Celsius übersteigen, nehmen die Sterbefälle insbesondere bei älteren Menschen über 65 Jahren deutlich zu.

Sie sind durch Beeinträchtigungen des Alterns und Krankheiten anfällig und können sich schlechter an extreme Temperaturen anpassen. Sie merken auch nicht so gut, wenn sie dehydrieren. Für ältere Frauen ist das Risiko größer, weil sie weniger schwitzen. Ebenfalls stärker gefährdet sind Menschen, die gerade aus dem Krankenhaus entlassen wurden, Personen mit chronischen Atemwegsleiden wie Asthma und Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie Bauarbeiter und Fernmeldemonteure, die draußen arbeiten.

Körperliche Belastung

Die Gefahren extremer Hitzewellen wurden im "Jahrhundertsommer" von 2003 besonders deutlich, als 14 extrem heiße Tage in Europa zu mindestens 70.000 Todesfällen führten. Vielfach stiegen die Temperaturen mehr als 40 Grad. 2015 gab es in Österreich sogar fünf extreme Hitzewellen. Die längste dauerte zwölf Tage, in der es an neun Tagen mehr als 35 Grad hatte und die Temperatur in elf aufeinanderfolgenden Tropennächten über 20 Grad blieb. Zwar kann sich der Körper teilweise an die Belastung anpassen. Ab 37 Grad allerdings kann er keine Wärme mehr nach außen abgeben. Bei gleichzeitig hoher Luftfeuchtigkeit funktioniert auch das Kühlen durch Schwitzen nicht mehr.

Einer deutsch-österreichischen Studie zufolge wird es etwa in Wien ab 2040 zu signifikant mehr Tagen mit starker und extremer Hitze (über 35 Grad und über 41 Grad gefühlter Temperatur) und zu dadurch bedingten Todesfällen kommen. Wie stark diese Zahl steigen wird, hängt von vielen Faktoren ab: unter anderem von der demografischen Entwicklung, den Emissionen und davon, wie wir uns körperlich, medizinisch, technisch und gesellschaftlich an die neuen Bedingungen anpassen.

Um die zu erwartende Mortalitätsrate zu berechnen, werteten Forscher vom Meteorologischen Institut an der Universität Freiburg und der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (Zamg) in Wien, einer Einrichtung des Wissenschaftsministeriums, zunächst Wiener Wetterdaten und Anpassungstrends zwischen 1971 und 2007 aus. Anschließend berechneten sie unter Berücksichtigung verschiedener Klima- und Emissionsmodelle zwei Szenarien: mit und ohne langfristige Anpassung.

Anpassung

Findet keine weitere Anpassung statt, könnte die Zahl der hitzebedingten Todesfälle bis 2100 an Tagen mit starker Wärmebelastung je nach Klimamodell um 26 bis 39 Prozent und bei extremer Hitze um 41 bis 121 Prozent steigen, schreiben die Forscher. Wahrscheinlicher als dieses Worst-Case-Szenario sei aber, dass "sich ein vorhandener Anpassungstrend zwischen 1971 und 2007 weiter fortsetzt", sagt Studienautor Andreas Matzarakis, der inzwischen am Freiburger Zentrum für Medizin-Meteorologische Forschung des Deutschen Wetterdienstes forscht.

Dann würde die hitzebedingte Mortalität bei starker Wärmebelastung nur noch um sechs bis sieben Prozent, bei extremer Hitze um 15 bis 77 Prozent zunehmen, schätzen die Forscher.

Die hohen Temperaturen führen insbesondere in Städten zu Gesundheitsproblemen. Hier staut sich die Wärme oft in Hitzeinseln. Diese können in bestimmten Straßen, aber auch in Häuserblöcken und sogar Wohnungen entstehen, wenn es zu wenig Grünflächen und zu viele versiegelte Areale gibt, wenn Durchzugsschneisen fehlen, in denen der Wind für Abkühlung sorgt, aber auch durch fehlenden Schatten und Umgebungen, die viel Wärme speichern und abends wieder abstrahlen.

Hitzeinseln aufbrechen

Der Autoverkehr mit seinem Bedarf an versiegelten Flächen und der Luftverschmutzung, die in Hitzeperioden noch belastender ist, trägt maßgeblich zu dem Problem bei. Bei hohen Temperaturen ohne Wind und Regen bleiben die Schadstoffe länger in der Luft, ergänzt Raya Muttarak vom Internationalen Institut für Angewandte Systemanalyse (IIASA). Dann steige in Bodennähe auch die Ozonkonzentration, die zu weiteren Gesundheitsproblemen führt.

Abhilfe könnte Haas zufolge eine ganze Reihe von Maßnahmen schaffen. An den richtigen Stellen neu geschaffene Grünflächen und weniger Verkehr helfen dabei, Hitzeinseln aufzubrechen. In gut durchmischten Stadtvierteln, in denen Wohnen, Einkaufen und Freizeitangebote inklusive Parks nah beieinander liegen, können viele Autofahrten entfallen. "Städte wie Wien sind oft schon für kurze Wege angelegt. Allerdings sind mit der Zeit viele Einkaufszentren und Arbeitsplätze an den Stadtrand gerutscht", sagt Haas. Um innerstädtische Wege zur Arbeit autofrei zu gestalten, lohne der Blick in Städte wie Kopenhagen, wo es an vielen Kreuzungen Vorfahrt für Radler gibt und richtige Radautobahnen aus den Vororten in die Stadt hineinführen.

Informationsbedarf

Auch bei den Kommunikationskanälen für die Bevölkerung sieht Haas Verbesserungsbedarf. Zwar gebe es Hitzefrühwarnsysteme für Einrichtungen wie Altersheime, Krankenhäuser und Apotheken. Allerdings seien viele Informationen für die Bevölkerung, etwa die Hitzeschutz- und Verhaltenstipps des Gesundheitsministeriums, nur im Internet oder über Telefonhotlines zu finden. Dort aber erreichen sie gerade die vulnerable ältere Zielgruppe nicht.

"Wir müssen auch Multiplikatoren besser einbinden, zum Beispiel Ärzte und Pflegekräfte, mit denen alte Menschen sowieso in Kontakt sind und denen sie vertrauen", sagt der Forscher. Dafür ist es laut Haas allerdings wichtig, das Gesundheitssystem künftig stärker auf die Finanzierung solcher Präventionsmaßnahmen auszurichten. "Wir stehen da vor einem notwendigen Paradigmenwechsel." (Veronika Szentpétery-Kessler, 25.5.2018)