Unsere Erde sieht sich großen Herausforderungen in Klimafragen gegenüber.

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Der Politikwissenschafter mit seinem Buch "Imperiale Lebensweise", zu dem er dem Universitätsmagazin "uni:view" ein Interview gab.

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Verschiedene Lebensweisen von Menschen haben auch unterschiedlichen Einfluss auf unser Klima. Die in der westlichen Welt von Globalisierungsforscher Ulrich Brand als "imperiale Lebensweise" bezeichnete Art zu leben ist eine der am wenigsten umweltverträglichen. In seinem Beitrag "Die imperiale Lebensweise zerstört unser Klima" erläuterte er seine Perspektive und diskutierte im Forum bereits mit einigen Usern darüber. Einige der Postings beantwortet er in diesem Beitrag.

Ulrich Brand: Diesen Punkt halte ich für ganz entscheidend. Die "imperiale Lebensweise" ist auch eine Produktionsweise, und das Beispiel des Smartphones ist besonders eindrucksvoll. Es bedarf gesetzlicher Regelungen, damit die Recyclingfähigkeit von Produkten an oberster Stelle steht und nicht ihre einfache Produktion, die dann am Ende viel Elektroschrott und anderen Müll übrig lässt. Der systematische Einbau von Mechanismen in ein Produkt, damit es früher als eigentlich möglich kaputtgeht, wurde geplante Obsoleszenz genannt. Dafür müssten hohe Strafen verhängt werden! Es könnte auch eine Art Gütesiegel für lange Haltbarkeit und Recyclingfähigkeit geben. Aber auch viele Konsumenten müssen von der Geiz-ist-geil-Mentalität wegkommen. Es sollte wieder in werden, in ein Repair-Café zu gehen und alte Geräte reparieren zu lassen, anstatt sie gleich wegzuwerfen.

Brand: Dieser Kommentar zeigt einen doppelten Sachverhalt. Zum einen sind Menschen – und im konkreten Fall Sie – durchaus bereit, über alltägliches Mobilitätsverhalten nachzudenken, und Sie persönlich wären auch zur Umstellung bereit. Aber es gibt gerade auf dem Land auch Probleme bei der Umstellung. Zum Zweiten geht es nicht nur um das eigene mehr oder weniger ökologische und soziale Verhalten, sondern auch um die Rahmenbedingungen, die verändert werden müssen. Es gibt dabei Alternativen in der Art der Versorgung, aber auch in der Art der Mobilität. Warum nicht zum Beispiel den Einkauf vermehrt mit Sammeltaxis unternehmen? Es geht aber auch immer wieder darum, die Ausschließungen und Probleme der "imperialen Lebensweise" sichtbar zu machen. Das kann auch über Theater laufen. Ein aus meiner Sicht beeindruckendes Beispiel ist das Forumtheater "InterACT", das Menschen für die Probleme sensibilisieren und zum Handeln anregen möchte.

Brand: In dem Buch "Imperiale Lebensweise" argumentieren wir wie auch viele andere, dass es um eine Kombination von kleinen Schritten und einen größeren Horizont geht. Dieser Horizont – etwa eine vollständig ökologische und stark regional ausgerichtete Landwirtschaft oder weitgehend von Autos befreite Städte, kurzfristig insbesondere von SUVs befreit – kann die kleinen Schritte in Politik, Wirtschaft und Alltagsverhalten unterstützen. Sonst wird es immer wieder Rückschritte geben.

Brand: Solche biologistischen Einschätzungen laufen Gefahr, dass Wachstum, Konkurrenz und Verteilungskonflikte als unveränderbar angenommen werden. Dabei gibt es schon in der Natur bei allem Überlebenskampf auch fantastische Formen von Kooperation. Menschliche Gesellschaften zeichnen sich ja dadurch aus, dass sie eigentlich über Vernunft, Einsicht und Lernen verfügen – auch wenn man nicht immer den Eindruck hat, dass das funktioniert. Dennoch sollten wir an wichtigen vernünftigen Prinzipien des Zusammenlebens festhalten, sie verteidigen und ausbauen: die Grund- und Menschenrechte, sein Leben nicht auf Kosten anderer zu führen, den Sozialstaat und eine gute öffentliche Daseinsvorsorge.

Brand: Ich teile diese Perspektive. Damit sind "Konturen" einer solidarischen Lebensweise benannt, die von Ihnen schon gelebt und hoffentlich von immer mehr Menschen gewünscht und dann auch gelebt werden. Dafür bedarf es auch geeigneter politischer Rahmenbedingungen wie etwa einer deutlich erhöhten Steuer auf Flugreisen oder einer vorzüglichen Fahrradinfrastruktur sowie einer Zurückdrängung jener Firmen, die an der "imperialen Lebensweise" gut verdienen. Den eindrücklichen Formulierungen habe ich nichts hinzuzufügen.

Brand: Die Frage lautet eben, ob es jedes Jahr ein Türkeiurlaub sein muss und dazu noch zwei Wochenendtrips nach Barcelona und Berlin mit dem Flugzeug. Ich will mich aber darüber nicht erheben, das wäre selbstverständlich überheblich. Die Frage lautet, wie durch gesellschaftliche Lernprozesse Urlaubs- und andere Konsumwünsche sich so entwickeln, dass sie nicht übermäßig zulasten der Natur gehen und andere Menschen etwa durch die Smartphone-Produktion ausbeuten. Das Problem mit dem Transport im Alltag sehe ich. Eine Möglichkeit wäre, dass die Anfahrtszeit in den Betrieb – auch mit Öffis – bereits als Arbeitszeit gilt und dass es eben ein angenehmer, rascher und finanziell günstiger Transportweg ist.

Brand: Wir müssen in der Tat anerkennen, dass es in einer sozial-ökologischen Wirtschaft durchaus zu mehr Arbeit kommt. "Effizienz" ist nicht per se schlecht, aber wir müssen sie hinterfragen, wenn sie zerstörerisch wird, etwa die Umwelt zerstört. Vielleicht müssen wir den Begriff "Luxus" in Richtung Zeitluxus umdefinieren. Weniger Stress und mehr Zeit, Produktluxus für langlebige Güter, sozialer Luxus durch bessere soziale Beziehungen und mehr Zeit mit- und füreinander, statt immer nur unter Druck zu sein. Hier müssten weiterhin Diskussionen geführt, Bestehendes infrage gestellt und Sachen ausprobiert werden. (Ulrich Brand, 24.5.2018)