Foto: Getty Images/iStockphoto

Im Zweifel entscheidet der Bürgermeister. Von den vielen Sätzen, die der neue Wiener Stadtchef Michael Ludwig in den vergangenen Wochen gesprochen hat, ist dieser wohl der prägnanteste. Er signalisiert Entscheidungswillen und -stärke, er untermauert seinen Führungsanspruch – und er sprach, mit Sicherheit wohlkalkuliert, ein Manko an, das viele, nicht nur in der Wiener SPÖ, in den vergangenen Jahren bekrittelt haben: dass der bisherige Bürgermeister Michael Häupl, obwohl einer der mächtigsten Politiker in der Republik, eher selten ein Machtwort sprach. Häupl ließ die Dinge lieber laufen, er legte sich ungern fest und ließ seinem Team freie Hand.

Dieser Führungsstil hatte einige Nachteile: Freunderlwirtschaft, Budgetdefizite, Verzettelung in Orchideenthemen (Stichwort Energiekreis um das Krankenhaus Nord), falsche Toleranz am falschen Ort (Stichwort Islamkindergärten). Der Vorteil daran: Jeder in Häupls Team trug auf seine Weise dazu bei, dass Wien im Vergleich zu anderen Millionenmetropolen in vielen Bereichen als vorbildhaft gelten kann. Wenn nun also ein neuer Wind durch Wien wehen soll, muss Ludwig darauf achten, dass der nicht alles wegfegt, was diese Lebensqualität in Wien letztlich ausmacht. Dazu gehört nicht nur, dass die U-Bahnen pünktlich fahren, das Wasser aus der Leitung glasklar ist und der Müll weggeräumt wird.

Sicherheit allein wird es aber nicht getan sein

Es ist schon richtig, wenn Ludwig darauf schaut, dass das Sicherheitsgefühl der Bewohner wieder steigt, dass kein noch so problematisches Viertel, kein Platz sicherheitstechnisch "aufgegeben" wird. Mit Sicherheit allein wird es aber nicht getan sein. Es gibt Stadtteile, in denen der Anteil an Migranten und/oder sozial Schwachen sehr hoch ist, wo die Kinderarmut höher ist als im Rest von Wien – mit all den daraus folgenden Problemen am Wohnungsmarkt, im Bildungsbereich und in der öffentlichen Wahrnehmung. Das wird durch die steigenden Immobilienpreise nicht besser. Und es wird auch nicht besser, wenn man "Wien und die Wiener zuerst" predigt.

In Integrationsmaßnahmen und die Ausbildung sozial schwächerer Kinder wird Wien noch viel mehr als bisher investieren müssen, wenn die soziale Ruhe in der Stadt erhalten bleiben soll. Hier wird Ludwig gar nicht anders können, als Häupls Weg weiterzugehen – und die scharfe Abgrenzung zur "Ausländer raus"-Politik der FPÖ aufrechtzuerhalten.

Aufgeblähte Verwaltung

Die Verwaltung ist in einigen Bereichen zu aufgebläht und zu teuer, die Stadt muss sparen. Aber eben nicht überall: In Spitälern, Kindergärten und Schulen fehlt es an qualifiziertem Personal, das auch so ordentlich bezahlt wird, dass es bleibt.

In Wien gibt es so viele Frauenhäuser wie nirgendwo sonst in Österreich. Jugend-WGs, Hilfe für Drogensüchtige, spezielle Einrichtungen für behinderte Kinder: Viel wird in diesen Bereich investiert, wenig darüber geredet. Das sollte unbedingt so bleiben, auch das macht Wien aus.

Letztlich geht es auch um Atmosphärisches. Wien ist, wie es ist, auch durch seine Zuag'rasten. Hier haben sich schon in der k. u. k. Monarchie verschiedene Ethnien, Religionen, Weltanschauungen und Lebenseinstellungen getroffen. Das hat, bei allen Problemen, die Stadt stärker, bunter, interessanter und toleranter gemacht. "Wien ist anders", lautete ein erfolgreicher Werbeslogan. Das stimmte nur bedingt und hatte immer seinen Preis. Aber es lohnt sich, daran weiterzuarbeiten. (Petra Stuiber, 23.5.2018)