Stellte Grenzschutzorganisation Frontex als Schlepperbande dar: Strache in Brüssel.

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Brüssel/Wien – Aussagen von Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache bezüglich der europäischen Grenzschutzagentur Frontex sorgen bei ÖVP-Abgeordneten im EU-Parlament für Kritik und Unverständnis. Strache hatte bei seinem ersten Brüssel-Besuch als Vizekanzler und Sportminister Frontex als Schlepperorganisation bezeichnet.

Die derzeitige Aufgabenstellung der Grenzschutzagentur sei "alles andere als ein Grenzschutz", sondern eher "Schlepperaktivität in modernem Sinn", hatte Strache am Mittwoch im Hinblick auf Seenotrettungen von Flüchtlingen erklärt. Frontex würde Flüchtlinge aus dem Meer fischen und nach Europa bringen, die Agentur gehöre deshalb neu aufgesetzt. Einmal mehr hatte der Vizekanzler bei seinem Auftritt in Brüssel auch für ein Ende der Russland-Sanktionen plädiert.

Karas sieht Widerspruch zu Regierungshaltung

Europaabgeordnete des freiheitlichen Koalitionspartners ÖVP warfen Strache am Donnerstag deshalb Unwissenheit in EU-Fragen vor. "So nicht, Herr Strache!", meinte ÖVP-Delegationsleiter Othmar Karas. "Die Äußerungen von Sportminister und Vizekanzler Strache bei seinem ersten Besuch in Brüssel sind inhaltslos, undifferenziert und stehen im Widerspruch zur Politik der österreichischen Bundesregierung. Es scheint, dass Herr Strache weder das Minsker Friedensabkommen noch die Entscheidungsmechanismen in der EU noch die Vorschläge der EU-Kommission zur Stärkung der Grenzschutzagentur kennt."

Den ÖVP-Abgeordneten Heinz Becker stellen Straches Äußerungen über Frontex vor "ein Rätsel", weil verstärkter EU-Außengrenzschutz seit langem an erster Stelle der Forderungen der österreichischen Bundesregierung steht, um illegale Einwanderung über das Mittelmeer zu stoppen. "Genau jetzt Frontex zu kritisieren, wo das neue EU-Budget die massive Aufstockung von Frontex von 1.500 auf 10.000 Mann vorsieht, erschließt sich mir in keiner Weise." Ziel müsse eine schlagkräftige, mit modernster Technik inklusive Drohnen ausgestattete EU-Grenz- und -Küstenwache sein, um jene Staaten zu unterstützen, die den Grenzschutz bisher nicht schaffen.

SPÖ ist empört und sieht ÖVP gefordert

SPÖ-Bundesgeschäftsführer Max Lercher ist empört über Straches Aussagen: "Ist es Unwissenheit, pure Ignoranz oder der übliche FPÖ-Reflex, gegen die EU zu pöbeln, was den Vizekanzler zu diesen Beschimpfungen treibt? In jedem Fall blamiert Strache mit seinen Ausfällen Österreich auf internationaler Ebene und zeigt bereits bei seinem ersten Besuch in Brüssel, dass er seinem verantwortungsvollen Amt nicht gewachsen ist!"

Frontex leiste jeden Tag wichtige Arbeit im Sinne des europäischen Außengrenzschutzes, weshalb seitens der EU gerade erst eine Aufstockung und Stärkung der Agentur beschlossen wurde. "Die Kurz/Strache-Regierung behauptet, proeuropäisch zu sein. Derartige Angriffe laufen dem massiv zuwider", sagt Lercher: "Ich frage Sie, Herr Kurz, wie können Sie zulassen, dass Ihr Vizekanzler Österreichs Ansehen in Europa derartig beschädigt? Nehmen Sie endlich Stellung zu diesem unsäglichen Vorfall!"

FP-General wiederholt Angriff auf Frontex

Der freiheitliche Generalsekretär und EU-Abgeordnete Harald Vilimsky sprang Strache allerdings sofort zur Seite: "Wenn Vizekanzler Strache die Aufgabenstellung der Grenzschutzagentur Frontex kritisiert, wird dies wohl seine triftigen Gründe haben, konnte diese doch ihrem Auftrag des Schutzes der EU-Außengrenzen in den letzten Jahren nur unzureichend nachkommen, was im Übrigen auf EU-Ebene immer wieder zu berechtigten Diskussionen führt. Der Schutz unserer Grenzen und damit auch unserer Bevölkerung ist ein sehr hohes Gut, welches deshalb auch als einer der Schwerpunkte im Regierungsprogramm seinen Niederschlag gefunden hat."

Karas kritisierte darüber hinaus auch Straches Ansichten über den Konflikt zwischen der Ukraine und Russland. "Mit seiner Aussage, dass die Abstimmung auf der Krim ein Faktum gesetzt habe, ignoriert Strache das Völkerrecht. 'Aus den Augen, aus dem Sinn' scheint Straches Sicht auf den Konflikt in der Ostukraine zu sein." (APA, 24.5.2018)