Liebesgeschichten, die scheitern, sind vielleicht nicht die besseren Liebesgeschichten. Doch sie geben in der Regel mehr über die Unbeständigkeit des Menschen preis. Weil sie sich der Idee der Erfüllung versagen, gelangt das Begehren deutlicher ins Visier. Und damit die Sehnsucht, die Einsamkeit, die Reue, all diese treulosen Komplizen der Liebe.

Eine Liebende, die umsonst wartet: Die Schauspielerin Kim Min-hee wurde auf der Berlinale mit dem Silbernen Bären prämiert.
Foto: Filmgarten

In On the Beach at Night Alone vom koreanischen Filmemacher Hong Sang-soo geht es gleich zweimal um Abwesenheiten. Im ersten, in Hamburg angesiedelten Teil wartet die Schauspielerin Young-hee auf die Ankunft ihres Liebhabers. Das Paar hat sich in der Ferne verabredet, an einem Fluchtpunkt. Young-hee spaziert durch Parks oder legt sich auf einen Nordseestrand, die Schatten ihrer Affäre folgen ihr. Ihr Geliebter ist verheiratet, Ehebruch ist in Korea kein Kavaliersdelikt, zumal wenn es sich um Personen aus der Öffentlichkeit handelt.

Der zweite, längere Teil des Films spielt in der koreanischen Küstenstadt Gangneung. Young-hee ist zurück in ihrer Heimat, und erst da erfahren wir, dass das Zusammentreffen der Liebenden nicht stattgefunden hat. Diese beiden gegenläufigen Perspektiven verleihen dem Film seine ungewöhnliche Struktur: Einmal teilen wir die sehnsuchtsvolle Erwartung mit Blick auf eine ungewisse Zukunft; das andere Mal ist alles schon von der Melancholie einer Realität umwölkt, die gar nicht eingetreten ist.

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On the Beach at Night Alone ging eigentlich von einer autobiografischen Idee aus: Hong ist selbst Partner von Kim Min-hee, ihre Beziehung hat in Korea einigen Staub aufgewirbelt – in Wahrheit ging das Paar aber gemeinsam fort. Der Film ist nun auch eine Liebeserklärung an die Ausdruckskunst von Kim Min-hee. Sie verkörpert Young-hee als eigensinnige Frau, deren Gefühlslagen sich nie einseitig verfestigen.

Es sind immer die anderen Figuren, die ihr bestimmte Eigenschaften attestieren. In Deutschland sagt ihr eine Freundin, dass sie von Leidenschaft bestimmt werde; in Korea bekommt sie zu hören, sie sähe gereifter aus, was ihr besondere Schönheit verleihen würde. Solche Komplimente helfen freilich genauso wenig wie Mitleid.

Routinen der anderen

Die Traurigkeit, die Young-hee umgibt, verleiht ihr allerdings eine Erdung, die den anderen fehlt. Sie fühlen sich durch ihre besondere Erfahrung herausgefordert. Unsicherheiten treten deutlicher hervor, die Routinen anderer Paarbeziehungen wirken profan, ja komisch. Kim Min-hee gibt ihrer Figur etwas Unstetes und Eruptives, eine Dynamik, die auf den Film zurückwirkt. In den ausufernden Gesprächsszenen wechselt sie unvermittelt ins Konfrontative und feuert Sätze ab wie diesen: "Weil du nicht lieben kannst, hängst du am Leben."

Hong Sang-soo ist einer der großen Autoren des Weltkinos. Minimalistische Vorgaben genügen ihm, um ohne festes Drehbuch feinste Bewegungen und Nuancen zwischenmenschlichen Verhaltens herauszuarbeiten. In On the Beach at Night Alone bleibt die Einsamkeit unteilbar und die Trauer ein Prozess, durch den man allein schreitet. Es gibt wenige Filme, die Unsichtbares mit so leichter Hand konkret zu machen verstehen. (Dominik Kamalzadeh, 25.5.2018)