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Im Ethikunterricht sind alle jungen Menschen gleich, egal welcher Religion sie angehören oder eben keiner. Das könnte zu einem ethischen Schulterschluss zwischen den Kindern und Jugendlichen führen, meint die Gastkommentatorin.

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Wo ist eigentlich die Diskussion um den Ethikunterricht an Österreichs Schulen geblieben? Versandet. Ausgeblendet. Wohl wird seit 1997 nach jahrzehntelangen kontroversen Debatten Ethik als Schulversuch an ausgewählten AHS und BHS als Ersatzpflichtgegenstand für jene Schüler geführt, die an keinem konfessionellen Religionsunterricht teilnehmen können oder wollen. Für den Ethikunterricht sind im Normalfall zwei Wochenstunden vorgesehen. Doch was machen jene Schülerinnen und Schüler, die ohne Bekenntnis sind und in die vielen Schulen ohne Ethik-Schulversuch gehen? Die haben Leerstunden und sitzen herum.

Dabei wäre gerade dieser konfessionslose Unterricht der ideale Brückenschlag zwischen allen jungen Menschen, egal welcher Religion (Christentum, Judentum, Islam ...) sie angehören oder eben keiner. In diesen Unterrichtsstunden sind alle Schüler gleich – genauso wie in Mathematik, Sprachen, Biologie etc. Und allen Kindern und Jugendlichen werden die gleichen europäisch-demokratischen Werte und sozialen Grundkompetenzen vermittelt: Freiheit, Gleichheit, Gemeinschaft, Individualität, Persönlichkeit, Empathie, Akzeptieren Andersdenkender, Regeln des Zusammenlebens.

Oder, wie die Zielsetzungen des Ethikunterrichts formuliert sind: "Der Ethikunterricht orientiert sich an den aus der Aufklärung hervorgegangenen Grund- und Menschenrechten, auf denen die österreichische Bundesverfassung und unser Bildungswesen basieren. Er ist daher weder wertneutral noch wertrelativistisch, ohne aber einer bestimmten Weltanschauung verpflichtet zu sein. Er versteht sich nicht als Kompensationsfach für gesellschaftliche Probleme und Defizite, sondern unterstützt Schülerinnen und Schüler, in Fragen von Weltanschauungen, Werten und Normen zu differenzierten Beurteilungen und Handlungsmodellen zu gelangen."

Das verbindet und verhindert Spaltung. Das grenzt nicht aus, schließt alle ein und könnte gewissermaßen zu einem ethischen Schulterschluss führen. Dabei zwängt es die Menschen in kein geistiges Korsett, sondern macht sie frei. "Gebt Gedankenfreiheit", wie Rodrigo, Marquis von Posa, in Friedrich Schillers Don Carlos Philipp II. anfleht.

In Deutschland beispielsweise, wo Bildung zu den Kompetenzen der Bundesländer zählt, ist man da schon weiter. Immerhin wurde vor mehr als 20 Jahren der verpflichtende Ethikunterricht nahezu flächendeckend in allen Bundesländern eingeführt. Meistens als Ersatz für den konfessionellen Religionsunterricht, in manchen Ländern jedoch auch als Wahlpflichtfach oder als ordentliches Lehrfach. Dort hapert es allerdings an anderem: Es fehlt vielfach das entsprechende Lehrpersonal, sodass relativ oft das Fach Ethik deswegen nicht unterrichtet wird. Oder die unterrichtenden Fachlehrer haben die Fakultas bloß in Fortbildungen erworben.

Mit oder statt Religion?

Dass hierzulande der Schulversuch Ethik bislang nicht in den Regelunterricht übergeführt wurde, liegt an den kontroversiellen Standpunkten sowohl der Parlamentsparteien als auch der Kirchen. Denn wer in Österreich das Ethikfach andenkt, muss den Unterricht der Religionen mitdenken: Soll der Ethikunterricht eine Alternative zum Religionsunterricht sein, diesen ganz ersetzen oder als Pflichtfach parallel zum bestehenden Religionsunterricht in den Lehrplan einfließen?

Nach dem im November des Vorjahres von ÖVP und FPÖ gemeinsam präsentierten Bildungsprogramm sollen nur für jene Schüler und Schülerinnen, die keinen Religionsunterricht besuchen, der Ethikunterricht verpflichtend sein. Im Regierungsprogramm 2017-2022 ist der Ethikunterricht im Detail nicht erwähnt. Das hieße also im Klartext: Keine Verpflichtung für jene, die am Unterricht der Religionen teilnehmen, also auch für jene Flüchtlinge, die ihren Religionsunterricht besuchen.

Wie die Bundes-SPÖ zu diesen Fragen heute steht, erscheint zwar offen. Doch die Wiener SPÖ-Bildungsspitze hat sich im September für ein flächendeckendes Pflichtfach Ethik parallel zum Religionsunterricht ausgesprochen.

Seitens der Kirche wiederum hat etwa Anton Bucher, Religionspädagoge an der Universität Salzburg, ein gebürtiger Schweizer allerdings, das kombinierte Pflichtfach "Ethik- und Religionenkunde" vorgeschlagen. Dies blieb freilich nicht ohne gehörigen Widerspruch. Ansonsten scheint sich die Haltung der Regierung in der Ethik- und Religionsfrage mit jener der amtlichen Kirche zu decken.

Nach derzeitigem Anschein also bedarf es weiterhin bei vielen Verantwortlichen im Staate Österreich eines Umdenkens in Richtung Pflichtfach Ethik für alle Jugendlichen. Zumindest die Diskussion darüber sollte längst starten. Denn die Zeiten haben sich schon seit längerem grundlegend geändert. (Elisabeth Horvath, 28.5.2018)