Wien – Über den öffentlich-rechtlichen Auftrag des ORF wird gern diskutiert. Vor der Medienenquete legt der ORF nun eine breite Grundlage dafür vor: das Buch "Public Open Space – Zur Zukunft öffentlich-rechtlicher Medien", in der Wissenschafter das Thema aus jeder erdenklichen Perspektive beleuchten. Ein Ruf ertönt immer wieder: Öffentlich-rechtliche bräuchten digital mehr Möglichkeiten.
55 wissenschaftliche Beiträge
Der Band versammelt 55 wissenschaftliche Beiträge in- und ausländischer Experten, herausgegeben wurde er von Klaus Unterberger (Leiter ORF Public Value) und Konrad Mitschka. Öffentlich-rechtliche Medien müssten sich im disruptiven Zeitalter "im Sinn der Gesellschaft transformativ weiterentwickeln", schreiben sie in ihrem Vorwort. Es gelte, einen "Weg vom 'Rundfunk der Gesellschaft' zu einer offenen Plattform öffentlicher Kommunikation" zu finden. Benchmarks auf dieser Reise seien: Medienqualität, Relevanz, Allianzen, Public Value, also gesellschaftlicher Mehrwert, und Innovation. "Vordergründige Rezepte" wollen sie mit ihrem Buch nicht liefern – vielmehr einen "Diskursraum" und Auslöser für "kritische Debatten".
Ressourcen und Rahmenbedingungen
Zu den Schwerpunkthemen des Bandes gehören Glaubwürdigkeit und vertrauenswürdige Information ebenso wie die Komplexe Integration, Inklusion, Diversität und Menschenrechte oder, ganz konkret, Jugend und Sportberichterstattung. Zu letzteren hält etwa Reinhard Christl, auch Mitglied des Public-Value-Beirats, fest: "Übertragungsrechte für populäre Sportarten bleiben für öffentlich-rechtliche Sender unverzichtbar." Daher brauche es finanzielle und personelle Ressourcen ebenso wie rechtliche Rahmenbedingungen, um das "Sport-Publikum auch in den neuen Medien zu erreichen".
Zu viele Einschränkungen für die Öffentlich-rechtlichen behindern diese daran, ihren Auftrag zu erfüllen, das ist der Grundtenor vieler Beiträge. "Die derzeitige gesetzliche Beschränkung öffentlich-rechtlicher Medien in Deutschland und Österreich ist schlichtweg unsinnig", schreibt etwa der Jurist und Internet-Experte Victor Mayer-Schönberger (Oxford Internet Institute). Klaus Meier (Universität Eichstätt) empfiehlt ein "eigenes öffentlich-rechtliches Jugendangebot" für Smartphones, was den Öffentlich-rechtlichen derzeit oft rechtlich untersagt sei.
Sich um das Vertrauem des Publikums anstrengen
Josef Trappel von der Uni Salzburg sieht das "postfaktische" Zeitalter als "Reformchance" und konstatiert: "Gute Karten für den öffentlichen Rundfunk. Gute Journalistinnen und Journalisten, solide Finanzierung, Hunger nach Legitimation. Wem sollen die Menschen glauben, welchem Medium vertrauen?" Allerdings brauche es "größte Anstrengungen", um das Vertrauen des Publikums in öffentlich-rechtliche Medien zu erhalten, ergänzt Heinz M. Fischer (FH Joanneum). "Es wird eine der maßgeblichen gesellschaftlichen Aufgaben sein, Journalismus als elementaren Grundwert einer funktionierenden Demokratie nicht nur anzuerkennen, sondern alles zu tun, sein Weiterbestehen zu fördern." Auch er ist gegen allzu große Restriktionen für den ORF: "Nicht jene dürfen behindert werden, die nachhaltig Information und Bildung auf ihre Fahnen heften."
Manuel Puppis und Hildegard van den Bulck (Universitäten Freiburg/Universität Antwerpen) schließlich treten gegen eine Budgetfinanzierung auf: "Mit Blick auf die zwingend notwendige Unabhängigkeit des öffentlichen Rundfunks von der Politik, die Verlässlichkeit der Finanzierung und die Legitimation des öffentlichen Rundfunks empfiehlt sich die Beibehaltung eines vom Staatshaushalt getrennten Finanzierungsmodells."
Bei der Präsentation am Montag betonte Petra Herczeg von der Universität Wien den Auftrag für öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten auch im Bereich gesellschaftlicher Diversität. Rundfunkanstalten müssten "unterschiedliche mediale Bedürfnisse verschiedener gesellschaftlicher Gruppen berücksichtigen". Den Zugang zu Information "ohne finanzielle oder soziale Barrieren" hob Thomas Steinmaurer (Uni Salzburg) hervor: "Auch in digitalen Netzwerken. In diesem Sinn muss sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk zum Public Service Network als eine gemeinwohlorientierte digitale Plattform weiterentwickeln." (APA, 28.5.2018)