Neu auf alt: Der Ausblick blieb gleich, das Interieur hat Architekt Gregor Eichinger stilsicher rückanimiert.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Für Vegetarier stehen Rote-Rüben-Knödel mit Erbsen-Kohl-Gemüse bereit.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Es stimmt nicht, dass nur Touristen auf den Donauturm wollen – die können dieses Mahnmal der Wirtschaftswunder-Virilität ja kaum finden, so geschickt, wie es sich zwischen transdanubischen Kleingartenanlagen, Freiheitskämpfer-Memorials und Wohnmobil-Parkplätzen versteckt. Von oben ist der Ausblick weit, das schon. Wenn in Wahrheit aber nur die Entsorgungsbetriebe Simmering, das Rinterzelt und die Bürotürme auf der Platte, am Wienerberg und beim Hauptbahnhof aus der amorphen Masse des Weltkulturerbes aufragen, dann kann man sich die 14,50 Euro für den Lift eigentlich auch sparen. Es sei denn, man ist frisch verliebt und weiß gar nicht, was so ein Frühsommerabend sonst für Möglichkeiten bergen könnte.

Liebespärchen sind eindeutig die Mehrheit am Donauturm, den Stararchitekt Gregor Eichinger stilsicher in die Formensprache der 1960er zurückgeholt hat. Das Lokal dreht sich unverändert um die eigene Achse, die altgediente Mechanik aber ruckelt mitunter auf haarsträubende Art. Andererseits gerät dadurch immer wieder Gesprächsstoff ins Bild, auf dass die Zeit bis zum Dessert mit eleganter Konversation überbrückt werde: "Schau, ist da das Praterstadion?" – "Geh, Schatzi, des is es Radstadion." – "Jö, das AKH, oder?" – "Wieso jö? Da ham s' ma die Galle außeg'schnitten."

Übers Essen kann man auch reden. Da wird, nicht ganz überraschend, auf die heimattreue Karte gesetzt. Ist ein bisschen schade, schließlich würde man sich im aufpolierten Retroambiente auch über Nostalgieessen wie Shrimpscocktail oder Ochsenmaulsalat freuen, über Forelle in Mandelbutter oder ein wahrhaftiges Kalbsnierensteak mit Curryreis. Stattdessen kommt wieder einmal Wiener Schnitzel dran, das wird einem unter dem Motto "in 170 Metern schmeckt es besser" bereits beim Lifteingang unter die Nase gerieben.

Stimmt nur leider nicht. Zwar ist der Erdäpfel-Vogerlsalat (bis auf überreichlich Zwiebel) recht zufriedenstellend, das Schnitzel aber wölbt sich in abenteuerlicher Verrenkung auf dem Teller: eindeutiges Fritteusen-Opfer. Das Fleisch ist auf Löschblattdicke niedergeklopft, was bei so vielen Flachsen durchaus in Arbeit ausgeartet sein dürfte, die Panier ist dick und klebt am Fleisch – in Wien kann man's ja machen, schon gar für 22,50 Euro.

Klebrig, cremig

Für Vegetarier stehen Rote-Rüben-Knödel mit Erbsen-Kohl-Gemüse bereit, ein, siehe Bild, anmutiges Arrangement in Rot und Grün, bei dem die Knödel durch hochgradig cremige (auch: klebrige) Konsistenz beeindrucken, das kurz gegarte Gemüse hingegen durch struppige Kontraste, welche der Kohl beisteuert. Erdäpfelcremesuppe ist auf eine Art aufgeschäumt, dass sie sich bis zum Abservieren nicht beruhigt, geschmacklich bleibt sie trotz Kernölzugabe vor allem dünn und flach – da kann auch beherzter Suppenwürfeleinsatz nichts verbessern.

Donauwaller am Donauturm, das muss natürlich sein. Oder auch nicht: Der Edelzuchtfisch wird auf der sehr sicheren Seite (also um Minuten zu lang) gebraten. Dazu gibt es papriziertes Sauerkraut mit deutlich verbranntem Bitterton und Kümmelerdäpfeln, die – vielleicht um die beim Waller vergeudete Bratzeit wettzumachen – geradezu knackig kurz gegart sind. Erholung von alldem hält überraschenderweise die Patisserie bereit, noch dazu unter dem furchterregenden Titel "Mozartkugelmousse": Unter einem Dom aus zartbitterer Schokolade sind luftige, nicht zu süße Pistaziencreme und dezidiert geiles Schokomousse verborgen, dazu gibt es saures, frisches Weichselkompott. Bitte weiterdrehen, es gibt hier nix zu kosten! (Severin Corti, RONDO, 1.6.2018)

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