Graz – Tumore brauchen für ihr Wachstum viel Energie und Baustoffe für den Um- und Aufbau von Zellbestandteilen. Traubenzucker (Glukose) ist in Tumorzellen ein wichtiger Ausgangsstoff. Wie sich Lungenkrebszellen unter Zuhilfenahme "untypischer" Stoffwechselwege flexibel an eine Glukoseunterversorgung anpassen und ihr Überleben sichern, haben Grazer Forscher im Fachjournal "PNAS" beschrieben.

"In rasch wachsenden Tumoren wie dem Lungenkrebs müssen sich Tumorzellen permanent an schwankende Nährstoffzufuhr anpassen", schilderte Katharina Leithner von der Abteilung für Pulmonologie der Medizinischen Universität Graz. Wenn man weiß, wie sie das tun, könnte man sie auch daran hindern – das wäre der Schlüssel zum kontrollierten Zelltod von Krebszellen.

Vielseitiges PEPCK

Die Grazer Krebsforscherin hat bereits im Jahr 2014 erstmals nachgewiesen, dass in Tumorzellen unter Glukosemangel ein Enzym des sogenannten Gluconeogenese-Stoffwechselweges aktiviert wird: Die PEPCK (Phosphoenolpyruvat Carboxykinase). Von der PEPCK, die in den zwei Varianten PCK1 und PCK2 existiert, wusste man bis dahin nur, dass sie in der Leber die Herstellung von Glukose zur Aufrechterhaltung des Blutzuckerspiegels kontrolliert. Außerdem spielt sie eine – allerdings weniger gut untersuchte – Rolle im Fettstoffwechsel. "PEPCK ist jedoch auch ein zentrales Stoffwechselenzym, welches Zellen potenziell die flexible Nutzung von kleineren Molekülen, wie der Milchsäure, für die Biosynthese von wichtigen Zellbestandteilen erlaubt", erklärte Leithner.

Zuletzt hat ihre Arbeitsgruppe gemeinsam mit der auf Lipiduntersuchungen spezialisierten Arbeitsgruppe von Harald Köfeler an der Med-Uni Graz sowie einem Team in Oxford an Lungenkrebszellen geforscht. Sie erkannten, dass diese unter Mangelbedingungen den PEPCK-Weg beschreiten, um eine zentrale Komponente der Phospholipide aufzubauen.

Phospholipide sind nicht nur Bausteine der äußeren Zellmembran, sondern grenzen auch verschiedene Zellareale voneinander ab und spielen daher für sehr viele Zellfunktionen eine bedeutende Rolle. Wie die Grazer Forscher erkannten, liefert die PEPCK in Lungentumorzellen einen kleinen, aber wichtigen Bestandteil der Phospholipide: Das sogenannte Glycerolgerüst, das die fettlöslichen Fettsäurereste des Lipids mit der wasserlöslichen Kopfgruppe verbindet. Dieser Stoffwechselweg, der auch als Glyceroneogenese bezeichnet wird, wurde bisher hauptsächlich in Leberzellen und Fettzellen nachgewiesen.

Wachstum bei schlechter Nährstoffversorgung

Bisher sei man davon ausgegangen, dass in Tumorzellen das Glycerolgerüst der Phospholipide nur auf Basis der Glukose aufgebaut wird, schilderte Leithner. Dass auch andere Ausgangsstoffe für den Aufbau des Glycerolgerüsts in Tumorzellen genützt werden können, war nicht bekannt. Die Arbeitsgruppe geht davon aus, dass damit mittels PEPCK das Wachstum des Tumors auch während ungünstiger Nährstoffversorgung möglich ist.

Der alternative Weg über PEPCK wurde mithilfe isotopmarkierter Tracer, der Aminosäure Glutamin sowie Milchsäure, nachgewiesen. "In Lungenkrebszellen im Zellkulturmodell führte die Hemmung von PEPCK (PCK2) zu einer deutlichen Reduktion von bestimmten Phospholipiden unter Glucosemangel und zu einer deutlich herabgesetzten Fähigkeit, Kolonien in Zellkulturschalen zu bilden", erläuterte Leithner. Der PEPCK-Weg scheint aber auch für das Tumorwachstum im lebendigen Organismus relevant zu sein. Bei ersten Experimenten in einem Mausmodell hatten Tumorzellen mit künstlich herabgesetzter PEPCK-Produktion ein massiv reduziertes Tumorwachstum im Vergleich zu Kontrolltumorzellen.

"Wir sind ein Stück weitergekommen. Für das Verständnis der Rolle der PEPCK in Tumorzellen sind aber noch weitere Arbeiten notwendig", resümierte Leithner. Unter anderem sei noch wenig über die Rolle der PEPCK für die Funktion von Zellorganellen, die aus Phospholipiden aufgebaut sind, bekannt. Ebenso über das Zusammenspiel von PEPCK und anderen Anpassungsstrategien, wie der Autophagie (Selbstverdauung). Diese und andere offene Fragen will die Arbeitsgruppe, welcher neben der Projektleiterin auch Diplomstudierende der Medizin und Biologie und zwei PhD-Studierende angehören, weiter erforschen. (APA, red, 3.6.2018)