Hinschauen ist bei Performerin Julischka Stengele explizit erwünscht – auch wenn sie einem die Zunge zeigt.

Foto: Esel.at

Spucke kann ekelerregend sein. Sie kann aber auch sexy sein (Wie könnte man ohne sie küssen?) oder kann Aggressionen ausdrücken. Denise Kottlett untersucht die feuchte Mundgabe vor Publikum. Die Aufführung der in Wien lebenden deutschen Performerin ist eine von neun, die heute und morgen Abend im Wiener Tanzquartier stattfinden.

Das Queer Performance Festival Vienna zeigt unter dem Motto "S_P_I_T_" queere Performancekunst heimischer und internationaler Künstler und Künstlerinnen. Was der Titel sagen will? Spuck es aus, sag, was du zu sagen hast!

Veza Fernández nimmt einen mit unter ihre Bettdecke. Die Choreografin hat auch Literatur studiert und konfrontiert mit Gedichten über das Begehren, während sie in die Rolle unter anderem der Jungfrau Maria schlüpft. Auch die Künstlerin Jakob Lena Knebl macht mit. Eindeutige Zuschreibungen mag sie nicht (siehe den Künstlernamen), Kontexte sind für die Wienerin ebenso wie traditionelle Vorstellungen dazu da, verschoben zu werden.

Mit "ausdifferenzierten Körpersprachen" will das Festival gegen Normen antreten, die mit einem "global politisch aggressiven Klima" einhergehen. Jenes wird – man sieht es an Stehsätzen heimischer Politiker oder den Tweets Donald Trumps – von Sprache mitgeprägt.

Dazu passend beschäftigt sich Maurício Ianês mit deren sozialer Funktion. Er hat die Performance extra für das Festival in einem Workshop entwickelt. Multimediakünstlerin Bassano setzt sich mit gesellschaftlichen Zwängen sowie dem Widerstand dagegen auseinander und bietet an beiden Abenden mehrere 15-minütige Performances für jeweils nur ein Gegenüber.

Venus ohne Pelz, dafür mit Zunge

Der zweite Abend wartet unter anderem mit Julischka Stengele auf. Für eine Arbeit hat die Künstlerin sich auf seidene Kissen gebettet. Sie ist vollschlank, die Brüste liegen schwer auf dem Bauch, ein delliger Schenkel auf dem anderen. Frech schaut sie den Betrachter an und streckt ihm die Zunge heraus. In der Ecke hängt ein schimmerndes Tuch, wie man es von Venus-Darstellungen kennt. Stengele aber ist nicht Lustobjekt, sondern lustvolles Subjekt. Auch Eric Abrogoua aus Frankreich verfolgt Sex und Sexualität als Befreiungsschlag.

Queer bedeutet schon lange nicht mehr nur die Abweichung von sexuellen Normen. Es meint auch Selbstbehauptung jenseits von äußeren Kategorien. Enesi M. Caixeta ist transdisziplinäre Lyrikerin und fertigt Gedichte, die sie als Lieder, Objekte oder Videos realisiert. Caixeta hat ihre Wurzeln in Brasilien und auf Kuba und ist in Oberösterreich aufgewachsen. Wie lebt es sich mit diesen Zuschreibungen?

Queersein ist eine Subversionsstrategie in Bezug auf Körperbilder, Lebensentwürfe, Macht. Im TQW blüht eine freiere Welt. (Michael Wurmitzer, 31.5.2018)