Die inhaltlichen Differenzen zwischen Othmar Karas und Proponenten der FPÖ werden mit Näherrücken der Europawahl 2019 nicht abnehmen.

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Im Gegensatz zu ihren Vorgängerregierungen werkt die Bundesregierung aus ÖVP und FPÖ zumeist in trauter Eintracht – zumindest was die öffentliche Darstellung angeht. Besonders für ÖVP-Verhältnisse herrscht in der öffentlichen Kommunikation erstaunliche Eintracht. Als eine der stärksten abweichenden Stimmen hat sich mittlerweile Othmar Karas, Delegationsleiter der ÖVP im Europäischen Parlament (EP), hervorgetan. Jüngst rügte er Vizekanzler Heinz-Christian Strache etwa für das Infragestellen der Personenfreizügigkeit.

Nun mag man dem langjährigen EP-Abgeordneten durchaus strategische Motive unterstellen: Die nächste EP-Wahl rückt immer näher (Mai 2019), und so ganz fix scheint es mit einer neuerlichen Kandidatur für die ÖVP nicht zu sein – womöglich auch deswegen, weil der prononciert EU-freundliche Karas für die EU-skeptischer werdenden ÖVP-Wähler mittlerweile ein weniger attraktives Angebot wäre.

Abseits aller strategischen Überlegungen gibt es aber handfeste inhaltliche Gründe dafür, dass die Herren Karas und Strache keine große Freundschaft verbindet. Denn während auf nationaler Ebene die FPÖ der ÖVP sicher näher steht als die anderen Parteien, verlaufen im Europäischen Parlament tiefe Gräben zwischen Schwarz und Blau. Sichtbar wird das am Abstimmungsverhalten der EP-Abgeordneten. Die Grafik unten zeigt anhand von Daten aus dem EP-Abstimmungsmonitoring der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik (ÖGfE), wie stark die einzelnen österreichischen EP-Abgeordneten zwischen Jänner 2017 und April 2018 mit Othmar Karas übereingestimmt haben.

Wie in den meisten anderen Parlamenten wird auch im EP prinzipiell entlang von Fraktionslinien abgestimmt. Es gibt aber einigen Freiraum für individuelles oder länderweises Abweichen. Wenig überraschend zeigt sich hier, dass die anderen Mitglieder der ÖVP-Delegation die größte Übereinstimmung mit Karas haben. Nicht allzu weit dahinter (mit im Mittel 83 Prozent Übereinstimmung) liegt aber schon die SPÖ-Delegation, gefolgt von Neos-Mandatarin Angelika Mlinar (81 Prozent) und den Grünen (70 Prozent Übereinstimmung).

Weit, weit abgeschlagen aber ist die FPÖ-Delegation. Im Schnitt stimmen die blauen EP-Abgeordneten nur in einem Drittel aller untersuchten Fälle mit Karas (und damit praktisch mit der ÖVP-Delegation, die meist einheitlich votiert). Ein Grund dafür ist sicher, dass viele Materien im EP logischerweise mit Fragen der Europäischen Integration zu tun haben – dem Politikfeld mit der (zumindest bisher) größten inhaltlichen Diskrepanz zwischen ÖVP und FPÖ.

Die inhaltlichen Differenzen zwischen Othmar Karas und Proponenten der FPÖ werden gerade mit Näherrücken der Europawahl 2019 nicht abnehmen. Gespannt darf man sein, ob die ÖVP-Parteispitze weiterhin das öffentliche Austragen dieser ideologischen Unterschiede zulässt oder ob sich die ÖVP auch in europapolitischen Fragen an die FPÖ annähert. Mit einem EP-Spitzenkandidaten Othmar Karas wäre das allerdings nur schwer denkbar. (Laurenz Ennser-Jedenastik, 1.6.2018)