Mariano Rajoy (rechts, hier mit dem ehemaligen König Juan Carlos) betonte in seiner Abschiedsrede, er habe Spanien besser hinterlassen, als er es vorgefunden habe. Ein Korruptionsskandal in seinem PP kostete ihn dennoch das Amt.

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Pedro Sánchez übernimmt Rajoys Posten.

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Das spanische Parlament hat den konservativen Premier Mariano Rajoy mithilfe eines Misstrauensvotums gestürzt. Nach einer zweitägigen Parlamentsdebatte wurde der von den Sozialisten gestellte Antrag Freitagmittag von 180 der 350 Abgeordneten angenommen. Damit wird der Chef des sozialistischen PSOE, Pedro Sánchez, neuer Ministerpräsident. Neben den Sozialisten stimmten die Abgeordneten der linken Podemos und regionale und nationalistische Kräfte für Sánchez – darunter auch Kataloniens regierende Separatisten.

169 Abgeordnete stimmten dagegen, eine Abgeordnete enthielt sich. Außer Rajoys Partido Popular (PP) stimmten zwei kleinere rechte PP-Ableger sowie die rechtsliberalen Ciudadanos gegen den Misstrauensantrag. Letztere liegen in Umfragen auf Platz eins und hätten gern Neuwahlen gesehen und nicht die Regierungsübernahme durch den PSOE.

"Es war mir eine Ehre, Regierungspräsident gewesen zu sein und Spanien besser hinterlassen zu haben, als ich es vorgefunden habe", verabschiedete sich Rajoy. Dem Konservativen war das Urteil in einem Prozess wegen Korruption und illegaler Finanzierung des PP zum Verhängnis geworden. Sánchez begründete die Abwahl mit "demokratischer Hygiene".

Rajoy muss einpacken

Übers Wochenende muss Rajoy jetzt die Koffer packen. König Felipe VI. wollte Sánchez noch am Freitag zum Premier ernennen. Anfang kommender Woche wird der Sozialist dann sein Kabinett vorstellen und vereidigen lassen. Es ist davon auszugehen, dass Sánchez das Angebot von Podemos-Chef Pablo Iglesias ablehnt, eine Koalitionsregierung zu bilden, die statt 84 Abgeordneten 151 hinter sich hätte. Dies würde innerhalb des PSOE zu Debatten führen. Podemos mit 67 Abgeordneten ist die größte Partei, die neben den Sozialisten für Sánchez stimmten. Rajoy verfügte über 137 Abgeordnete und wurde von Ciudadanos mit ihren 32 unterstützt.

Leicht wird es für den Sozialisten mit einer so schmalen Hausmacht nicht. Das Sammelsurium, das ihn an die Regierung brachte, hat nur wenig gemein. Immerhin muss Sánchez keinen Haushalt verabschieden. Er wird, so hat er versprochen, das von Rajoy vor weniger als zwei Wochen mühsam durchs Parlament gebrachte Budget beibehalten, auch wenn es von Sozialisten und Podemos als "unsozial" abgelehnt worden war. Auch Podemos-Chef Iglesias ist damit einverstanden. "Wir werden essen, was uns aufgetischt wurde, aber bei diesem Essen werden keine Korrupten mit am Tisch sein".

Von sofortigen Neuwahlen will Sánchez nichts wissen. Er werde irgendwann Wahlen ansetzen, sagt er. Aber wann, darüber schweigt er sich aus. Die Legislaturperiode geht erst im Herbst 2020 zu Ende. Sánchez will zuerst einmal regieren, denn die Sozialisten liegen derzeit bei den Umfragen deutlich hinter den rechtsliberalen Ciudadanos und gleichauf mit Podemos. Nur der PP Rajoys schneidet noch schlechter ab.

Dialog mit Katalonien

Sympathien will der Sozialist damit gewinnen, "den Dialog zur Form der Politik zu machen", vor allem auch, was den Katalonien-Konflikt angeht. Allerdings beteuert Sánchez wie bereits sein Vorgänger, dabei strikt "die Verfassung verteidigen" zu wollen. Sein Ziel sei es, die "Stabilität zurückzugewinnen", aber auch "sozial dringliche Maßnahmen" zu ergreifen. Vorbild könnte dabei das benachbarte Portugal sein. Dort regiert mit António Costa ebenfalls ein Sozialist in Minderheit mit Unterstützung anderer linker Parteien. Costa hat die harte Sparpolitik seines konservativen Vorgängers aufgeweicht und konnte damit punkten. Portugal steht besser da als Spanien, wenn es um die europäischen Vorgaben geht.

Während in sozialen Netzwerken vor allem regionale PP-Politiker gegen "den niederträchtigen Verräter" Sánchez wüten, schimpfte der Ciudadanos-Chef Rivera über das, was er "Frankenstein-Regierung" nennt. Er wirft Sánchez vor, diejenigen mitregieren zu lassen, die "Spanien zerstören wollen". Die Tageszeitung El País sieht dies ähnlich und warnt vor "einer unwägbaren Regierung". Aus Barcelona meldete sich Bürgermeisterin Ada Colau zu Wort. Sie fordert, dass die neue Regierung "die soziale Frage wieder in den Mittelpunkt rückt" und in der Katalonien-Frage "endlich Politik macht". (Reiner Wandler aus Madrid, 1.6.2018)