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Vladimir Putin: Russlands Präsident hat beste Kontakte nach Österreich.

Foto: AP / Mikhail Metzel

In Moskau wird mit Vorfreude auf den Besuch von Russlands Präsident Wladimir Putin am 5. Juni in Wien geschielt. "Russland nimmt die derzeitige Politik Österreichs sehr positiv auf", sagt der gut vernetzte Moskauer Politologe Fjodor Lukjanow dem STANDARD. Die Nichtausweisung russischer Diplomaten im Zuge der Skripal-Affäre, die Kritik von Kanzler Sebastian Kurz an der amerikanischen Außenpolitik und die Betonung der Nützlichkeit des Iran-Deals haben Eindruck im Kreml hinterlassen. Putin schätze es, wenn ein Land eine "eigenständige Politik" betreibe und sich nicht im Fahrwasser anderer Nationen treiben lasse, so Lukjanow.

Umso mehr natürlich, wenn diese Politik russischen Interessen entspricht. Die Brückenbauerfunktion, die Österreich für sich im Verhältnis zwischen Russland und dem Westen in Anspruch nimmt, wird von Moskau gern gesehen, auch wenn der Einfluss Wiens auf die EU aus Moskauer Sicht eher gering ist. Überhöhte Erwartungen verbindet die russische Führung mit dem Besuch Putins daher nicht. "Es wird keine Revolutionen geben", bestätigt Lukjanow dem STANDARD. "Aber wir sehen eine offensichtliche Aktivierung der Beziehungen zu Europa", fügt er hinzu.

Und doch nimmt Österreich für die russische Führung eine Sonderstellung ein – auch weil die FPÖ seit der Wahl im vergangenen Herbst in der Regierung sitzt. Schon direkt nach dem Bekanntwerden des Wahlergebnisses prognostizierte Konstantin Kossatschow, der Leiter des Außenausschusses in Russlands parlamentarischem Oberhaus, dem Föderationsrat, eine Verbesserung der bilateralen Beziehungen "angesichts der pragmatischen Positionen der Rechten in Bezug auf Russland".

Die FPÖ auf Kreml-Kurs

Die Freiheitlichen haben durchaus eine Sonderstellung im Verhältnis zu Moskau: Unmittelbar nach der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten reiste eine hochrangige FPÖ-Delegation nach New York, um dort auch einen Mann zu treffen, der als Verteidigungsminister der künftigen US-Regierung gehandelt wurde. Im 63. Stockwerk des Trump-Towers trafen der nunmehrige Verteidigungsminister Mario Kunasek und der blaue EU-Abgeordnete Georg Mayer zum 90-minütigen Gespräch mit Michael Flynn zusammen. Über den Inhalt wurde nichts bekannt.

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Heinz-Christian Strache: Nähert sich seit 2008 immer weiter an Putin an. Foto: AP / Ronald Zak
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Johann Gudenus: Straches Stellvertreter gilt als Strippenzieher der Achse Wien-Moskau. Foto: APA / Hans Punz
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Dem Treffen mit Flynn maß die FPÖ offensichtlich große Bedeutung zu. Als ihr Spitzenpersonal wenige Wochen später nach Moskau fuhr, um dort mit Putins Partei Einiges Russland einen Freundschaftsvertrag zu unterzeichnen, wurde in einer Presseaussendung betont, dass Strache "ein Schulterschluss zwischen den USA und Russland besonders wichtig" sei. Außerdem freuten sich die Blauen, dass sie dadurch international weiter an Einfluss gewinnen würden.

Diese Freude war nur von kurzer Dauer. Wenige Wochen nach dem Treffen mit den FPÖ-Politikern war Flynns politische Karriere schon wieder beendet. Knapp einen Monat nachdem ihn Trump am 22. Jänner 2017 zum Nationalen Sicherheitsberater bestellt hatte, musste Flynn schon wieder von seinem Amt zurücktreten; ihm waren zwielichtige Kontakte mit russischen Behördenvertretern und Geschäftsleuten nachgewiesen worden. In Zusammenhang mit einer möglichen russischen Einflussnahme auf die US-Präsidentenwahl wird weiterhin gegen Flynn ermittelt.

Seit 2008 setzt FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache auf eine Annäherung seiner Partei an Russland, deren vorläufiger Höhepunkt die Unterzeichnung der Kooperationsvereinbarung mit der Kreml-Partei ist. Zu Beginn seiner politischen Laufbahn hatte Strache noch die Schleifung des "Heldendenkmals der Roten Armee" am Wiener Schwarzenbergplatz gefordert, das der damals 22-jährige FPÖ-Bezirksrat in Wien-Landstraße im Mai 1992 als ein "mit allen ideologischen Symbolen versehenes Triumphmal eines ideologischen Eroberers" bezeichnete.

Sichtbare politische Annäherungsversuche der FPÖ begannen 2007: Im Mai erklärte Strache, dass Russlands Präsident Putin in Österreich herzlich willkommen sei. Im Dezember gratulierte er Einiges Russland zum Sieg bei der Parlamentswahl.

Ohne erkennbare innenpolitische Relevanz zeigte Strache dann 2008 Verständnis für den Einmarsch russischer Truppen in Georgien, der zuvor von der westlichen Staatengemeinschaft kritisiert worden war. Diese Positionierung einer österreichischen Partei wurde im Kreml registriert: Es folgten Treffen von FPÖ-Politikern mit hochrangigen Vertretern von Putins Partei. Im Dezember 2008 reiste Strache schließlich offiziell nach Moskau.

Die Kontakte rissen danach nicht mehr ab. 2012 etwa statteten hochrangige Delegationen der Freiheitlichen Tschetscheniens Potentat Ramsan Kadyrow einen umstrittenen Besuch ab. Eine Intensivierung der Achse Wien–Moskau ließ sich 2014 beobachten, parallel zu einer zunehmenden außenpolitischen Isolierung Russlands im Zusammenhang mit seiner Ukraine-Politik.

Straches Stellvertreter Johann Gudenus pilgerte in diesem Jahr wiederholt in den Osten, er gab einen der "Wahlbeobachter" des "Krim-Referendums" im März 2014, mit dem Russland die völkerrechtswidrige Annexion der ukrainischen Halbinsel zu legitimieren versuchte. Ganz im Sinne einer konservativen Kreml-Politik wetterte Gudenus im selben September bei einem Kongress in Moskau gegen die "Homosexuellenlobby" und die Zerstörung der Familie, wenige Tage später trat er als Beobachter bei Lokalwahlen in St. Petersburg auf und wurde vom dortigen Gouverneur empfangen.

Draht von Linz nach Moskau

Gudenus gilt als einer der Strippenzieher der Achse FPÖ–Moskau. Er ist zur Stelle, wenn es darum geht, ein Ende der von der EU verhängten Sanktionen zu fordern oder Russland vor Verdächtigungen in Schutz zu nehmen, etwa im Fall des vergifteten russischen Ex-Doppelagenten Sergej Skripal.

Ihm kommt zugute, dass er an der diplomatischen Hochschule MGIMO in Moskau studiert hat, einer wichtigen Kaderschmiede der russischen Politik. Mit Strache nahm Gudenus 2014 an einem Rechtsradikalenkongress im Wiener Palais Liechtenstein teil. Gastgeber der Veranstaltung soll der russische Oligarch Konstantin Malofejew gewesen sein.

Auch der als "Chefideologe der Eurasischen Bewegung" bezeichnete Alexander Dugin nahm angeblich an dem Treffen teil. Dugin tritt für ein europäisch-asiatisches Bündnis unter Führung Russlands ein. Im Zuge der Ukraine-Krise rief der prominente Rechts-außen-Philosoph öffentlich wiederholt zu einem Angriffskrieg gegen die Ukraine auf.

Diese Kontakte, insbesondere der Freundschaftsvertrag mit der Kreml-Partei, sorgten nach dem Regierungseintritt der Freiheitlichen in Österreich international für Aufregung. Ausländische Geheimdienste schränkten die Zusammenarbeit mit ihrem österreichischen Gegenüber teilweise ein, da sie befürchteten, dass Informationen direkt bei Putin landen könnten. Schließlich kontrolliert die FPÖ über Innen- und Verteidigungsministerium alle österreichischen Nachrichtendienste.

Außerdem wurde mit großem Interesse beobachtet, wer sich in der Entourage der FPÖ-Führung bei deren Besuch in Moskau befand. Neben den Parteigranden Norbert Hofer, Harald Vilimsky, Johannes Hübner und Johann Gudenus war auch der Linzer Vizebürgermeister Detlef Wimmer dabei. Er hatte federführend an der Ausarbeitung des Vertrags mitgewirkt und verfügt über beste Kontakte nach Moskau.

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Detlef Wimmer: Der Linzer Vizebürgermeister setzt sich für den Verbleib der Krim bei Russland ein. Foto: Picturedesk / EXPA / Michael Gruber
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Hans Jörg Schelling: Der Ex-Finanzminister ist nun Berater beim Gazprom-Pipelineprojekt Nord Stream 2. Foto: Reuters / Leonhard Foeger
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Mehrmals bereiste Wimmer die annektierte Krim, um sich dort für den Verbleib der Halbinsel bei Russland starkzumachen. Wie im November des vergangenen Jahres – während der Koalitionsverhandlungen von ÖVP und FPÖ. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) reagierte auf dieses Störfeuer, indem er vor der Presse sagte, er sei "gänzlich anderer Meinung" als Wimmer. Die Annexion der Krim sei völkerrechtswidrig gewesen, "weshalb diese nicht anerkannt wird und ein entsprechendes EU-Sanktionsregime in Kraft ist".

Zuletzt besuchte Wimmer im April dieses Jahres das Internationale Jalta-Wirtschaftsforum auf der Krim. Die dreitägige Veranstaltung wird von den Moskau-treuen Regionalbehörden organisiert. Sie hat zum Ziel, gegen die Sanktionen wegen der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim im Jahr 2014 aufzutreten, die Krim als Investitionsstandort zu bewerben und die russische Sicht der Landnahme – vom Kreml als "Wiedervereinigung" dargestellt – zu popularisieren.

Seine Krim-Reisen handelten Wimmer ein Einreiseverbot in der Ukraine ein – wie auch zumindest drei weiteren FPÖ-Politikern. Betroffen davon sind Hans-Jörg Jenewein, Axel Kassegger und Johannes Hübner. Die Nationalratsabgeordneten Jenewein und Kassegger und der ehemalige Abgeordnete Hübner waren in den vergangenen Jahren ebenfalls Gäste des Jalta-Wirtschaftsforums und hatten ukrainische Gesetze durch ihre Anreise aus Russland gebrochen. Gudenus darf seit September 2017 wieder in die Ukraine einreisen.

Russisches Netzwerk in Wien

Nicht alle Politiker und Geschäftsleute mit gutem Draht nach Moskau positionieren sich in der Krim-Frage wie Gudenus, doch die russischen Kontakte sind mitnichten auf die FPÖ beschränkt. Negative Schlagzeilen rief der jüngste Wechsel von Finanzminister Hans Jörg Schelling in die Wirtschaft hervor: Gerade einmal drei Monate nach seinem Ausscheiden aus der Regierung im Dezember wurde bekannt, dass der ÖVP-Politiker einen Beraterposten bei der mehrheitlich staatlichen russischen Gazprom angenommen hat, um für das politisch brisante Pipelineprojekt Nord Stream 2 zu lobbyieren.

Siegfried Wolf: Der steirische Topmanager erhielt 2016 den russischen Freundschaftsorden. Foto: APA / Georg Hochmuth
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Rainer Seele: Der OMV-CEO war Chef der deutsch-russischen Wingas und hat bis heute gute Verbindungen in den Kreml. Foto: Reuters / Heinz-Peter Bader
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Erste Gespräche seien dem Vernehmen nach bereits im Jänner geführt worden. Das hastige Versilbern seines politischen Kapitals hinterließ bei vielen Beobachtern ein ungutes Gefühl. Allerdings ist Schelling nicht der einzige Politiker, der bei Gazprom im Sold steht: Auch Deutschlands Altkanzler Gerhard Schröder – zuletzt als Ehrengast bei Putins Inauguration in erster Reihe gesichtet – zog es nach dem Ende der politischen Karriere zu Nord Stream. Die Geschäfte dort führt Matthias Warnig, ein ehemaliger Stasi-Mitarbeiter, der ebenfalls als einer der wichtigsten Vertrauten Putins gilt.

Andere Kontakte sind transparenter: Am Gelingen des Projekts ist etwa auch OMV-Chef Rainer Seele stark interessiert. Der Norddeutsche ist seit seinem Amtsantritt 2015 bei der OMV ein treibender Motor hinter einer Annäherung an Moskau. Der 57-Jährige hat nie ein Geheimnis aus seinen hervorragenden Beziehungen in den Kreml gemacht, die noch aus seiner Moskauer Zeit stammen, wo er Wingas, ein Joint Venture von BASF und Gazprom, leitete und ein Vertrauensverhältnis zur Konzernspitze von Gazprom um den Putin-Vertrauten Alexej Miller aufbauen konnte. Seele hat den Gastransit durch die Ukraine mehrfach als unzuverlässig kritisiert.

Die Wirtschaft insgesamt ist an der Verbesserung der Beziehungen nach Moskau interessiert. Mit Siegfried Wolf gibt es einen weiteren gut vernetzten Protagonisten auf der Wien-Moskau-Achse. Der 59-Jährige machte einst bei Frank Stronachs Automobilzulieferer Magna Karriere und stieg dort bis zum CEO auf, ehe er zum Topmanager der Holding Russian Machines des inzwischen mit Sanktionen belegten russischen Oligarchen Oleg Deripaska wurde.

In Russland wurde Wolf 2016 mit dem Freundschaftsorden ausgezeichnet. Auch in Österreich hatte der gebürtige Steirer enormen Einfluss, er war unter anderem bis 2015 Aufsichtsratspräsident der Österreichischen Industrieholding AG. Kein Einzelfall: In der "Österreichisch-russischen Freundschaftsgesellschaft" sitzen gleich mehrere Vertreter der Wirtschaftskammer.

Ex-Kanzler Schüssel

Zugleich ist Wien auch Europazentrale für russische Staatsbetriebe und Treffpunkt russischer Unternehmer. Die bekannteste ist die Gattin von Moskaus Ex-Bürgermeister Juri Luschkow, Jelena Baturina. Die einzige Dollarmilliardärin Russlands hat an die 100 Millionen Euro in Österreich investiert.

Wolfgang Schüssel: Der Ex-Kanzler sitzt im Aufsichtsrat des russischen Telekomunternehmens MTS. Foto: APA / Hans Klaus Techt
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Zwischen "Skilehrer" Karl Schranz und Putin entwickelte sich eine "enge Freundschaft". Foto: APA / Herbert Neubauer
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Gute Beziehungen nach Moskau unterhält auch Ex-Kanzler Wolfgang Schüssel. Zuletzt nahm der ÖVP-Politiker einen Job als Aufsichstratsmitglied beim russischen Telekomkonzern MTS an. Schüssel ist politisch weiter aktiv. Neben dem Thinktank Dialog Europe Russia gehört er auch dem Waldai-Klub an, einem von Putin geschaffenen Diskussions- und Expertengremium.

Am Rande der alpinen Ski-WM 2001 in St. Anton gingen Bilder um die Welt, die Schüssel und Putin beim gemeinsamen Skifahren am Arlberg zeigten. Putin nahm, so berichtet es sein Biograf Roj Medwedew, mehrmals Ski-Unterricht bei Karl Schranz. Zwischen dem 79-jährigen Tiroler, der dreimal Weltmeister, einmal Olympia-Zweiter (1964) und vor allem ein von Olympia Ausgeschlossener (1972) war, und Putin entwickelte sich eine "enge Freundschaft", wie Schranz sagte, der mehrmals zu privaten Anlässen im Kreml eingeladen war.

Putin verpflichtete Schranz nicht zuletzt als Berater in infrastrukturellen Fragen vor den Olympischen Winterspielen 2014 in Sotschi. Die Stadt am Schwarzen Meer hatte sich bei der Vergabe gegen Salzburg durchgesetzt. Von dem Beraterauftrag profitierten österreichische Unternehmen wie Strabag und Doppelmayr. Sie erhielten Millionenaufträge in Sotschi und Umgebung. (Markus Sulzbacher, André Ballin, Fritz Neumann, 3.6.2018)