Jan Luszczak kocht mit dem, was gerade da ist. Statt eines Großeinkaufs setzt das Café der Sozialorganisation Neunerhaus auf Lebensmittelspenden und Beratung.

Foto: Oona Kroisleitner

Eine mit Gebäck gefüllte Metallwanne steht in der offenen Küche des Neunerhaus-Cafés in Wien-Margareten. Koch Jan Luszczak hackt das Backwerk im Akkord. Täglich erhält das kleine Lokal der Sozialorganisation für wohnungslose Menschen das, was die Bäckerei Felzl am Vortag produziert, jedoch nicht verkauft hat. In der Küche entstehen daraus oft Knödel oder, wie heute, ein süßer Scheiterhaufen.

Zweimal in der Woche bestellt Anna Schwab, die gastronomische Leiterin des Lokals, bei Bauern aus der Region einen Grundstock an saisonalem Gemüse. Wie die gesamte Lieferung aussieht, weiß sie aber erst, wenn die Kisten ausgepackt werden. Das, was die Landwirte zu viel haben oder aus einem anderen Grund nicht verkaufen können, landet statt in der Mülltonne in einer Box fürs Neunerhaus. Hinzu kommen täglich weitere Essensspenden.

Zukauf zu Spenden

"Ganz ohne zugekaufte Lebensmittel geht es nicht", sagt Schwab. In der Küche benötige das ehrenamtliche Team rund um sie und Koch Luszczak "Spontaneität und Kreativität", sagt Schwab, die zuvor mit Silent Cook Patrick Müller das Lokal "Punks" im achten Bezirk betrieben hat. "Wir werten einfache Produkte mit speziellen Zutaten auf und wollen so spannende, neue Gerichte anbieten." Viel nimmt man sich im Vorhinein nicht vor. "Wir planen nur saisonal. Überlegen uns, was wir aus aktuellem Gemüse machen können. Das macht es einfacher, die Gerichte spontan zusammenzustellen." Was auf den Mittagsteller kommt, der werktags für eine freie Spende angeboten wird, ist meist erst kurz, bevor er über die Theke geht, fix.

Oft werden klassische Gerichte neu interpretiert. Dabei helfen soll auch der kleine Kräutergarten in der Grätzeloase vor dem Lokal. Dort wuchern seit vergangener Woche Thymian oder Rosmarin neben den ersten Tomatenpflänzchen – auch die Setzlinge waren Spenden. Gepflanzt und geerntet wird aber nicht nur vom Neunerhaus, jeder kann Gewürze oder Gemüse mitnehmen. "Uns ist wichtig, dass wir gutes Essen für alle anbieten", sagt Daniela Unterholzner, Geschäftsführerin des Neunerhauses: "Wir wollen, dass sich jeder gesund ernähren kann."

Das heißt, jeder wirft, so viel er kann, in die kleine Spendenbox aus Plexiglas, die auf der Theke steht. "Und wenn jemand nichts hat, aber Hunger, dann bekommt er auch etwas zu essen." Diejenigen, die mehr Geld zur Verfügung haben, geben mehr und gleichen die geringen Summen damit aus. "Das funktioniert sehr gut", sagt Unterholzner.

Gesundes Essen für alle

Zwischen 50 und 70 Mittagsteller gehen jeden Tag aus der Küche. Das Lokal richtet sich an Klienten die in einem Neunerhaus wohnen oder das angrenzende Gesundheitszentrum besuchen, wie auch an jene, die nur mittagessen oder einen Kaffee trinken wollen. An einem Tisch im Café beraten täglich Sozialarbeiter.

Nichtverkochte Lebensmittel werden zu Säften oder Eistees verarbeitet, eingefroren, eingekocht oder kommen in den gläsernen Foodsharing-Kühlschrank in der Ecke des hell beleuchteten Raumes. Am besten würden Jogurts oder andere Kleinigkeiten, die gleich im Lokal verzehrt werden können, angenommen. Bevor etwas abläuft, findet es den Weg zurück in die Küche.

Mit dem Konzept will das Neunerhaus nicht nur gesundes Essen für jene, die es sich ansonsten vielleicht nicht leisten könnten, anbieten, sondern auch der Lebensmittelverschwendung entgegentreten. "Man sollte nicht jeden Tag mit einem Zettel einkaufen gehen, sondern erst überlegen, was man aus den Lebensmitteln, die man hat, machen kann", sagt Unterholzner. Denn pro Jahr werden rund 1,3 Milliarden Tonnen Lebensmittel weggeworfen oder sind Verluste entlang der Wertschöpfungskette. Das ergab eine Studie der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO). Dabei handelt es sich um rund ein Drittel aller weltweit produzierter Lebensmittel.

Verpackte Verschwendung

Europäer werfen zwischen 95 und 115 Kilogramm Essen im Jahr weg, vor allem Obst und Gemüse, obwohl ein Großteil noch genießbar wäre. Laut einem Bericht der Europäischen Kommission liegt die Zahl in der Europäischen Union sogar noch höher: Pro Person werden jährlich 179 Kilo Essen weggeworfen – gesamt rund 89 Millionen Tonnen Lebensmittelmüll. 42 Prozent davon entfallen auf private Haushalte, 39 Prozent landen bereits bei den Herstellern im Müll, 14 Prozent werden in der Gastronomie verschwendet und fünf Prozent bei den Einzelhändlern. In Österreich werden in privaten Haushalten bis zu 157.000 Tonnen angebrochene oder verpackte Lebensmittel entsorgt.

Ein Bewusstsein für Essen will man auch bei den eigenen Klienten wecken, die Essen oft nur als Grundbedürfnis erleben. Sie werden zu Kochkursen eingeladen oder helfen freiwillig im Café mit. (Oona Kroisleitner, 2.6.2018)