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Pfusch oder Kalkül? Bundeskanzler Sebastian Kurz hadert mit der Datenschutzkontrolle.

Foto: AP / Virginia Mayo

Die Umsetzung der europäischen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) in Österreich ist ein Desaster. Das sagt keine Aktivistin, das sagt kein Oppositionspolitiker. Das sagt niemand Geringerer als die Juristen des für Datenschutzrecht zuständigen Verfassungsdienstes im Justizministerium – wenn auch durch die Blume. Jedenfalls rechnet man dort damit, dass der Republik ein Vertragsverletzungsverfahren der Europäischen Union ins Haus steht. Es gibt zwei Möglichkeiten, wie es dazu gekommen ist. Keine davon lässt Sebastian Kurz' türkis-blaue Bundesregierung kurz vor der EU-Ratspräsidentschaft gut dastehen.

Möglichkeit eins: Pfusch. Nachdem die Umsetzung der Verordnung im Justizministerium ausgearbeitet wurde, wurde das strenge, hochkomplexe Regelwerk im Nationalrat von ÖVP und FPÖ verwässert, um dem Datenschutz für Staat und Unternehmen die Zähne zu ziehen. Dabei glaubten die Parteien womöglich sogar, die überösterreichische Lösung könnte in Brüssel durchgehen. Das ist kein Ausdruck von parlamentarischem Selbstbewusstsein, sondern eine Mischung aus Selbstüberschätzung und Klientelpolitik um jeden Preis.

Möglichkeit zwei: Kalkül. Nicht auszuschließen, dass alle Beteiligten wussten, dass die Aufweichung der DSGVO im Parlament nie und nimmer konform mit den Vorgaben der EU gehen wird. Den kalkulierten Clinch mit Brüssel kennen aufmerksame Beobachter ja aus der Vergangenheit. Am Ende stellt sich die Regierung hin und erklärt: Schaut, wir hätten eh gewollt – aber Brüssel will euch wieder einmal das Leben schwer machen.

Pfusch oder Kalkül? Am Ende macht es keinen großen Unterschied. Die Bundesregierung zeigt – nach der Kürzung der Familienbeihilfe für EU-Bürger, nach der geplanten Ungleichbehandlung bei der Mindestsicherung, nach der Infragestellung der Personenfreizügigkeit durch Vizekanzler Heinz-Christian Strache -, dass sie mit dem europäischen Gedanken nicht allzu viel anfängt und im Zweifel lieber auf nationale Alleingänge setzt. Und das nur einen Monat bevor Österreich den Vorsitz im Rat der Europäischen Union übernimmt.

Das ist ein fatales Signal für einen Staat, der so stark von der Union profitiert wie Österreich – und für eine rechtskonservative Regierung mit nationalistischem Einschlag, die mit einem Bekenntnis zu Europa versuchte, sich vom Abschottungsvorwurf reinzuwaschen. (Sebastian Fellner, 1.6.2018)