Auch die intelligenten und verspielten Bergpapageien, die Keas, sind durch Fressfeinde belohnt.

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Diese werden nun vergiftet oder in Fallen gefangen.

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Es war ein epischer Kampf, als Maui, ein Held der Maori, auszog, um die Sonne zu bändigen. Sie sollte langsamer über den Himmel reisen, damit die Bewohner Neuseelands länger Tageslicht bekommen. Doch Maui war nicht allein. Ein schwarzer Vogel mit blauen Tränensäcken unterstützte den Krieger bei seinem Vorhaben. Der Kokako, die Lappenkrähe, füllte ihre Tränensäcke mit Wasser, damit der Held zu trinken hatte. Zum Dank verlängerte er die Beine des Tieres, damit es leichter durch die Wälder des Inselstaates hüpfen konnte.

Nun ist es der Vogel, der Hilfe braucht: Der Kokako ist gefährdet. Von Siedlern eingeschleppte Säugetierarten vernichten seine Nahrung und fressen seine Eier. Es sind Ratten, Possums und Hermeline, die dem Vogel zusetzen. Doch nicht mehr lange, wenn es nach der neuseeländischen Regierung geht.

Bis zum Jahr 2050 sollen alle Eindringlinge auf den Inseln des Landes ausgerottet sein. Und damit wäre nicht nur dem Kokako geholfen, sondern auch dem neuseeländischen Nationalvogel, dem flugunfähigen Kiwi, dem Kea-Papagei oder der Whio, der Saumschnabelente. Insgesamt 25 Millionen Vögel sollen durch die eingeschleppten Fressfeinde laut Schätzungen bereits getötet und ihr Lebensraum zerstört worden sein.

Keine Bodenfeinde

"In Neuseeland sind eigentlich nur zwei Säugetierarten heimisch: Fledermäuse und Seehunde", sagt Michele Frank von der Tierschutzorganisation WWF zum STANDARD. "Die Vögel hatten somit keine Feinde auf dem Boden und gaben daher das Fliegen auf, was viel ökonomischer war." Eingeschleppte Tiere wie Possums und Katzen hatten also leichtes Spiel. Die Verteidigungsstrategie des Kakapo-Papageis wurde zur tödlichen Falle. Der flugunfähige grüne Vogel bleibt bei Gefahr ruhig auf dem Boden sitzen. Eine effektive Art, um Raubvogelangriffen zu entgehen, doch keine Verteidigung gegen Säugetiere.

Neuseelands Naturschützer probten bereits auf mehreren kleinen Inseln die Ausrottung der fremden Arten. Im März dieses Jahres wurden die Antipodeninseln für offiziell mausfrei erklärt. Mehrere Jahre lang arbeiteten Spezialisten von unterschiedlichen Behörden wie der Abteilung für Naturschutz mit NGOs zusammen.

"Die Herausforderung auf den Antipoden waren die harschen Wetterbedingungen", sagt Frank, die für den WWF dabei war: "Wir mussten alle Utensilien auf die Inseln bringen, die 760 Kilometer von den Hauptinseln entfernt sind. Und das bei Stürmen und starkem Schneefall." Mit Fallen und Giftködern wurden die Tiere gejagt und getötet. Untersuchungsergebnisse zeigten, dass die selten gewordenen Schnepfen bereits nach der Dezimierung der Mausbestände auf die Inseln zurückkehrten.

Damit jedoch ganz Neuseeland frei von fremden Arten ist, reichen die Anstrengungen von Naturschützern und Behörden allein nicht. "Die Bevölkerung engagiert sich mit eigenen Projekten", erzählt Frank. Unterstützt werden die Neuseeländer dabei von der Abteilung für Naturschutz, die auf ihrer Homepage umfangreiche Anleitungen zur Kontrolle von Nagetierbeständen, zum Bau von Fallen und zu möglichen Förderungen zur Verfügung stellt.

Glöckchen an Hals der Katze binden

Auch die Regierung in Wellington hat ihre Anstrengungen intensiviert. Vor kurzem wurde das Budget für ein "Fressfeindfreies Neuseeland bis ins Jahr 2050" um zehn Millionen neuseeländische Dollar, rund sechs Millionen Euro, auf 81,3 Millionen Dollar oder 48,4 Millionen Euro für die kommenden vier Jahre erhöht.

Durch die Erhöhung der Mittel könnte das Ausmaß der Artenkontrolle in jedem Jahr gleich gehalten werden, sagte Naturschutzministerin Eugenie Sage: "Nicht nur in sogenannten Mastjahren." So werden jene Jahre bezeichnet, in denen Pflanzen besonders viele Samen produzieren, was zu einem Geburtenboom bei Ratten, Hermelinen und Possums führt.

Dass auch Haustiere der Strategie der neuseeländischen Regierung zum Opfer fallen werden, glaubt Frank nicht: "Hauskatzen sind nur eine geringe Bedrohung für die Vögel. Außerdem kann man durch einfache Maßnahmen wie ein Glöckchen um den Hals der Katze verhindern, dass sie Vögel erwischen."

Kritik an Giftabwurf

Doch nicht alle Neuseeländer stehen hinter dem Projekt. Vor allem der Abwurf des Pestizids 1080 aus Flugzeugen, das die Säugetiere töten soll, stößt immer wieder auf Widerstand. Die Auflagen vor solch einem Abwurf sind eigentlich hoch: Das Gebiet muss weiträumig gesperrt werden, und Parkaufseher sollen sicherstellen, dass sich keine Menschen in der Zone befinden. Trotzdem kommt es zu Zwischenfällen. Zwei Frauen etwa klagten über Vergiftungssymptome, nachdem sie in einem Abwurfgebiet ein Picknick gehalten hatten.

Auch eine Gruppierung aus Landwirten will gegen das Pestizid vorgehen. Es würde in das Grundwasser gelangen und ihren Bestand an Wild gefährden, argumentieren die Bauern. Vergangene Woche drohten sie dem Naturschutzministerium damit, die Helikopter abzuschießen, die bei den Abwürfen eingesetzt werden. Das Ministerium und die Polizei ermitteln wegen der Drohungen. (Bianca Blei, 5.6.2018)