Die Möglichkeiten der Kardiologie zur Diagnose und Therapie von Herzerkrankungen werden immer besser. Doch das Problem bleibt. Es gibt sogar Hinweise darauf, dass der Trend zur Reduktion der Herz-Kreislauf-Mortalität zum Stillstand gekommen ist, vermutet man bei der Österreichischen Kardiologischen Gesellschaft (ÖKG).

Derzeit beträgt die Lebenserwartung in Österreich bei den Männern 79,1 Jahre, bei den Frauen 84 Jahre. Um 1970 waren es noch 66,8 bzw. 73,3 Jahre. Die Zahl der Todesfälle durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen hat um ein Viertel abgenommen. Die altersstandardisierte Herz-Kreislauf-Mortalität ist seit 1970 um 60 Prozent gesunken.

"Die Kardiologie kann das Leben signifikant verlängern. Trotzdem bleiben die Herz-Kreislauf-Erkrankungen die Todesursache Nr. 1", sagte ÖKG-Präsidentin Andrea Podczeck-Schweighofer. Laut der Expertin hat der aktuelle "Deutsche Herzbericht" (2015) im Vergleich zur Vorgängerpublikation (2014) erstmals eine Zunahme der häufigsten Herzkrankheiten und einen leichten Anstieg der Herz-Kreislauf-Sterblichkeit ausgewiesen.

Passivität bei Patienten

Die Gründe für diese Entwicklung sind noch unklar. Die hauptsächlichen Risikofaktoren – Rauchen, Bluthochdruck, überhöhte Blutfettwerte, mangelnde Bewegung – sind in der zunehmend immobil werdenden postindustriellen Gesellschaft jedenfalls weiterhin vorhanden. "Dazu wissen wir, dass beispielsweise zehn bis 15 Prozent der Herzinfarktpatienten schon das erste ihnen nach der akuten Erkrankung ausgestellte Rezept (auf Blutgerinnungshemmer, Cholesterinsenker, Blutdruckmedikamente etc.; Anm.) nicht einlösen. Nach einem Jahr nimmt die Hälfte der Infarktpatienten die verschriebenen Medikamente nicht mehr ein", sagte die Expertin.

Die Ballondilatation mit Implantation eines Stents bei einem Herzinfarkt durch die interventionelle Kardiologie (Kathetereingriffe) hat die Behandlung beim lebensbedrohlichen Infarkt revolutioniert, die Sterberaten gesenkt und die Belastung durch die Therapie dramatisch verringert. "Es gibt aber immer mehr Patienten, die mit einem Infarkt ins Spital kommen und wenige Tage später das Krankenhaus verlassen – ohne das Bewusstsein, eine schwere Erkrankung gehabt zu haben", betonte Andrea Podczeck-Schweighofer. Das Leben nach einem Infarkt dürfte aber nicht so ungesund weitergehen, wie es vorher womöglich war.

Neue Techniken bei Operationen

Bei der Reparatur oder dem Ersatz von Herzklappen (Aortenklappe, Mitralklappe) drängt die Kathetertechnik mit Eingriffen über die Leistenvene die offene Chirurgie immer weiter zurück. "Das ist in den letzten fünf bis zehn Jahren möglich geworden. Beim Ersatz der Aortenklappe durch die interventionelle Kardiologie (Implantation durch Kathetereingriff – TAVI) hat sich gezeigt, dass nicht nur Patienten mit einem hohen, sondern auch Patienten mit einem mittleren Risiko mindestens gleich gut, wenn nicht sogar etwas besser behandelt werden können als per offener Chirurgie", sagte Christian Hengstenberg, Chef der kardiologischen Universitätsklinik in Wien (MedUni/AKH).

In Deutschland werden pro Jahr rund 15.000 dieser Eingriffe durchgeführt. Die Krankenhaus-Sterblichkeit ist dort laut aktuellen Zahlen bei Patienten mit hohem und mittlerem Risiko nach TAVI signifikant niedriger als bei einem chirurgischen Eingriff (11,3 Prozent versus 23,6 Prozent bzw. 4,1 Prozent versus 9,2 Prozent).

Sogar bei Niedrigrisiko-Patienten war die Mortalität nach den beiden Eingriffen vergleichbar (1,6 Prozent versus 1,4 Prozent). Derzeit liegt die Sterblichkeit der Patienten innerhalb des ersten Jahres nach TAVI-Eingriff bei drei bis vier Prozent. Vor einigen Jahren waren es noch etwa zehn Prozent. Es gibt auch zunehmend Belege dafür, dass die TAVI-Klappen auch langfristig funktionstüchtig bleiben. (APA, 5.6.2018)