Wien – Die Redakteurssprecher im ORF haben sich am Dienstag in einer Resolution gegen eine Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks aus dem Bundesbudget ausgesprochen. In dem einstimmig beschlossenen Papier mit Blick auf die Medienenquete befürchten sie, dass die Regierung den ORF zu einem "Regierungsfunk" umbauen will.

"Die staatliche Finanzierung des ORF aus dem Bundesbudget – anstatt über eine Gebühr – würde zur direkten Abhängigkeit vom Wohlwollen der Regierungsparteien führen", hielt der ORF-Redakteursausschuss in seiner heutigen Sitzung fest. "Permanente Abhängigkeit des ORF von Budgetentscheidungen des Parlamentes" und "verstärkter Druck aus der Politik auf die ORF-Führung" wären die Folge, wird gewarnt. "Freie und faire Berichterstattung über Parteien würde nahezu unmöglich."

Regierung hätte "wenig Interesse an unabhängigem ORF"

Die Regierungsparteien hätten schon jetzt "offenbar wenig Interesse an einem unabhängigen ORF", kritisiert die Resolution. Sie verweist unter anderem auf das Facebook-Posting von FPÖ-Vizekanzler Heinz-Christian Strache ("Lügen"), auf Aussagen des freiheitlichen Stiftungsratsvorsitzenden Norbert Steger, aber auch auf die jüngsten Personalentscheidungen im ORF, für die sich Generaldirektor Alexander Wrabetz "Empfehlungen" aus dem Stiftungsrat geholt habe. "Das alles lässt uns befürchten, dass es nicht um eine Weiterentwicklung des ORF zum Wohl des Publikums geht, sondern um den Umbau des ORF zum 'Regierungsfunk' und um die Schwächung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, von der die private Konkurrenz profitieren soll", schreiben die Redakteure.

Sie fordern, dass die von der GIS eingehobenen Gebühren künftig "in der gesamten Höhe tatsächlich dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk gehören sollten". Derzeit werden ja unter anderem Landesabgaben und Abgaben fürs Bundesbudget miteingehoben. Die Gebühren würden damit "verfälscht", heißt es. Es brauche "online innovative Sendungsformate" und "mehr parteipolitische und wirtschaftliche Unabhängigkeit". Was die Regionalisierungspläne im ORF betrifft, halten die Redakteurssprecher fest: Mehr Programm aus den Ländern erfordere auch zusätzliche Ressourcen.

Bornemann als Vorsitzender bestätigt

Neu gewählt wurde am Dienstag der Redakteursrat, wobei Dieter Bornemann ("ZiB") als Vorsitzender bestätigt wurde. Weitere Mitglieder sind Margit Schuschou (ORF Tirol) und Peter Daser (Radio Innenpolitik) sowie stellvertretende Redakteursratsmitglieder Martina Schmidt ("Report"), Tanja Malle (Ö1) und Helmut Schöffmann (ORF Steiermark). (APA, 5.6.2018)

Die Resolution im Wortlaut

"Der ORF ist das wichtigste Qualitätsmedium Österreichs und schafft eine gemeinsame Identität für das Land. Das hat sich in den vergangenen Tagen deutlich gezeigt: Von der Übertragung des Sommernachtskonzertes vor Schloss Schönbrunn, dem Fußballschlager Österreich gegen Deutschland, der Life-Ball-Übertragung bis zum Interview mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. Der ORF beweist in allen Bereichen – Kultur, Sport, Unterhaltung und Information –, dass Qualität und Quote kein Widerspruch sind.

Umso bedauerlicher ist es, dass die Regierungsparteien offenbar wenig Interesse an einem unabhängigen ORF haben: Wenn Vizekanzler Heinz-Christian Strache dem ORF wörtlich "Fake-News, Lügen und Propaganda" vorwirft und das als "Satire" bezeichnet, gleichzeitig die Abschaffung der GIS-Gebühren verlangt und Bundeskanzler Sebastian Kurz darauf lediglich sagt, man müsse "die Emotionen herausnehmen" und eine "sachliche Debatte" führen.

Wenn FPÖ-Stiftungsrat Norbert Steger ein Drittel der ORF-Korrespondenten streichen will, weil er mit der Ungarn-Berichterstattung unzufrieden ist. Kritische Interviewfragen als "unbotmäßig" abqualifiziert, auf Journalisten "erzieherisch" einwirken will und die Entlassung von Journalisten fordert, wenn sie auf sozialen Medien Inhalte posten, die ihm nicht gefallen. Und ankündigt, ein "scharfes" ORF-Gesetz in der Schublade zu haben. Und trotzdem von der Mehrheit im Stiftungsrat als Vorsitzender gewählt wird.

Wenn nach monatelangen Ausschreibungen, Unternehmenshearings und Redaktionsabstimmungen Personalentscheidungen im ORF genau so ausfallen, wie sie schon seit Wochen als Wunschkandidaten der Regierungsparteien in den Zeitungen gehandelt werden. Und Generaldirektor Alexander Wrabetz einräumt, "Empfehlungen" aus dem Stiftungsrat bekommen zu haben.

Wenn Medienminister Gernot Blümel den ORF vor allem als "Schuhlöffel" für die Privatsender sieht. Und Programm und Einladungsliste der Medienenquete das auch deutlich vermitteln.

Das alles lässt uns befürchten, dass es nicht um eine Weiterentwicklung des ORF zum Wohl des Publikums geht, sondern um den Umbau des ORF zum "Regierungsfunk" und um die Schwächung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, von der die private Konkurrenz profitieren soll.

Die staatliche Finanzierung des ORF aus dem Bundesbudget – anstatt über eine Gebühr – würde zur direkten Abhängigkeit vom Wohlwollen der Regierungsparteien führen. Der ORF-Generaldirektor würde dann zum Bittsteller beim Finanzminister, Medienminister oder Bundeskanzler, um sein jährliches Budget zu verhandeln. Der Schritt zum "Regierungsfunk" wäre dann nicht mehr weit.

Die Finanzierung aus dem Staatsbudget hätte eine permanente Abhängigkeit des ORF von Budgetentscheidungen des Parlamentes zur Folge. Das lässt verstärkten Druck aus der Politik auf die ORF-Führung befürchten.

Freie und faire Berichterstattung über Parteien würde nahezu unmöglich, wenn ebendiese Parteien jedes Jahr nach Gutdünken über die wirtschaftliche Existenz des ORF bestimmen könnten. Unter dem Deckmantel des Sparens könnten unliebsame Sendungen jederzeit abgestraft werden – von jenen Politikern, die mit der Berichterstattung über ihre Partei oder über sich selbst unzufrieden sind. Sie bräuchten sich dazu nicht einmal in der Öffentlichkeit die Hände schmutzig zu machen, denn ohne ausreichende finanzielle Mittel wäre jede Geschäftsführung zu Einschnitten im Programm gezwungen.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk muss aber dem Publikum verpflichtet sein, nicht den politischen Parteien. Und so sorgt eine Beitragsfinanzierung für ein höheres Maß an Staatsferne als die Finanzierung aus dem Budget. Wobei die Rundfunkgebühren in der gesamten eingehobenen Höhe tatsächlich dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk gehören sollten und nicht länger durch Zuschläge, die an Bund und Länder gehen, verfälscht werden.

Die angekündigte Änderung des ORF-Gesetzes sollte dem ORF auch online innovative Sendungsformate ermöglichen. Aber vor allem müsste ein neues ORF-Gesetz zu mehr parteipolitischer und wirtschaftlicher Unabhängigkeit führen. Durch Verbesserungen bei der Bestellung der Aufsichtsgremien und durch eine Stärkung des Redakteursstatutes mit echten Mitwirkungsrechten bei der Besetzung von journalistischen Leitungsfunktionen. So wie es bei heimischen und internationalen Qualitätsmedien schon längst üblich ist.

Denn nur ein – auch ökonomisch – unabhängiger öffentlich-rechtlicher Rundfunk kann seine unverzichtbaren demokratiepolitischen Aufgaben in der neuen Medienlandschaft erfüllen. Der ORF gehört nicht den Parteien, sondern allen Österreicherinnen und Österreichern. Für sie machen wir unser Programm.

Die Landesstudios haben trotz der massiven Personaleinsparungen in den vergangenen Jahren die Berichterstattung deutlich gesteigert. In 3.650 "Bundesland heute"-Sendungen pro Jahr, rund 80.000 Stunden Radioprogramm und mehr als 40.000 Onlinebeiträgen wird das Leben der Menschen in den Bundesländern abgebildet. Dafür braucht es journalistische Kompetenz und die dafür notwendige finanzielle und personelle Ausstattung. Die ORF-JournalistInnen bekennen sich zum weiteren Ausbau der Regionalberichterstattung, aber zusätzliche Regionalsendungen, die die ORF-Geschäftsführung plant, brauchen eine entsprechende Aufstockung der Redaktionen, damit die Regionalisierung nicht zu einem Schlagwort verkommt." (red, 5.6.20218)