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PRO: Alternative Lohnkürzung

von Andreas Schnauder

Der Euro ist ein Wackelkandidat. Das Konzept, eine gemeinsame Währung ohne einheitliche Einnahmen, Ausgaben, Schuldenaufnahme und Wirtschaftspolitik einzuführen, bot von jeher Angriffsflächen. Die haben sich in der Eurokrise nur allzu deutlich manifestiert. Die nächste Attacke kommt bestimmt, und viel spricht dafür, dass die Finanzmärkte Italien die rote Karte zeigen werden. Hohe Verschuldung, Arbeitslosigkeit, schwaches Wachstum und Verlust der Wettbewerbsfähigkeit bilden einen gefährlichen Mix.

Vor allem seit der Finanzkrise hat sich Italien rückwärts entwickelt. Die Warenproduktion ist in den letzten knapp zehn Jahren förmlich eingebrochen. Auch das Argument, dass das Land Handelsüberschüsse erzielt und die Lage nicht so schlimm sein könne, geht völlig ins Leere. Die Exporte befinden sich im Sinkflug; das Plus im Außenhandel ist lediglich eine Folge der mangels Auslastung eingebrochenen Importe. Das führte letztlich dazu, dass Italiens Wirtschaftsleistung und Wohlstand heute geringer sind als vor 15 Jahren, während die Eurozone bei beiden Größen deutlich zulegte. Der Euro mag nicht der einzige Grund für diese Entwicklung sein, doch er verstärkt sie massiv.

Italien müsste die Löhne deutlich senken, um wieder in Form zu kommen. Klar ist aber auch: Das Land muss sich mit oder ohne Euro rundum erneuern, will es sich der Abwärtsspirale entziehen. (Andreas Schnauder, 5.6.2018)

KONTRA: Der falsche Sündenbock

von Eric Frey

Italiens Wirtschaft hat unzählige Probleme: hohe Staatsschulden und niedrige Beschäftigung; zahlreiche kleine Familienbetriebe, die nicht wachsen; Banken mit faulen Krediten; eine marode Verwaltung, eine langsame Justiz und ein katastrophales Bildungssystem. Für die populistischen Parteien, die in Rom heute regieren, trägt der Euro die Hauptschuld an dieser Misere. Aber damit irren sie sich – und alle anderen, die glauben, dass Italien mit eigener Währung besser dran wäre.

Denn das Land hat lange genug mit der Lira gelebt und war auch damals krisengeschüttelt. Drei Viertel seines Schuldenbergs stammen aus der Zeit vor dem Euro. Bis in die 1990er-Jahre litt Italien unter hoher Inflation und dadurch ständiger Instabilität. Deshalb tat die italienische Politik alles, um in die Eurozone hineinzukommen.

Gleichzeitig mit dem Euro verschärfte sich der globale Wettbewerb für viele italienische Vorzeigeprodukte, vor allem durch China. In zukunftsträchtigen Industrien wie IT oder Biotechnologie hinkt das Land hinterher. Und anders als etwa in Spanien wurden nach der Weltfinanzkrise nur wenige Strukturreformen angegangen.

Andere Länder haben von einer einmaligen Abwertung profitiert. Aber Italien hat schon so oft abgewertet, und es hat immer nur kurzfristig geholfen. Der Euro wäre die Chance für eine wirtschaftliche Wende gewesen. Dass sie nicht genutzt wurde, ist nicht die Schuld der Währungsunion. (Eric Frey, 5.6.2018)