Wien – CO2-neutrales Wohnen ist nicht allein eine Sache moderner Energietechniken. Im Wohnbau ist es wünschenswert, die technologischen Aspekte in ein Gesamtprojekt einzubetten, das zeitgemäße Konzepte der Mobilität und des sozialen Zusammenlebens berücksichtigt. Zudem sollen neue Finanzierungsformen die Wohnungen leistbar halten.

Dieser Ansatz soll im Rahmen eines Bauvorhabens in Korneuburg, das im Speckgürtel Wiens einem hohen Bevölkerungsdruck ausgesetzt ist, exemplarisch umgesetzt werden. Im Klimafonds-Projekt Way2smart, das den Weg der Stadtgemeinde in Richtung Energieautonomie begleitet, wird eine Anlage aus zwei Gebäuden saniert und erweitert, um als Plusenergieanlage mehr Energie lokal zu generieren als verbraucht wird. Gleichzeitig sollen die künftigen Bewohner zu mehr Selbstverwaltung und energiesparenden Verhaltensweisen animiert werden. Im Herbst 2019 sollen die ersten Bewohner einziehen, berichtet Thomas Zelger vom Institut für Erneuerbare Energie der FH Technikum Wien, wo das Projekt mit Stadtgemeinde, städtischem Siedlungsfonds und weiteren Forschungs- und Unternehmenspartnern entwickelt wird.

"Der bestehende Wohnbau ist eine typische Anlage aus den 1930er-Jahren. Es gibt 24 durchwegs sehr kleine Mehrzimmerwohnungen", beschreibt Zelger die Ausgangslage. In einem Neubaublock sollen noch einmal 18 Wohnungen dazukommen. Die Sanierung erfolgt mit Passivhauskomponenten mit entsprechenden Dämmstärken und dezentraler Lüftung mit Wärmerückgewinnung. Der Wärmebedarf für Wasser und ein Niedertemperaturheizsystem werden aus Solarthermie auf dem Dach und einer Grundwasserwärmepumpe gedeckt. Dem elektrischen Energiebedarf wird durch Photovoltaik auf dem Dach und an der Fassade und einem zentralen Stromspeicher begegnet. Übers Jahr gerechnet soll "der gesamte Energiebedarf erneuerbar mit hoher Eigendeckung versorgt werden".

Carsharing-Angebote

Zu den bau- und energietechnischen Maßnahmen kommt ein zeitgemäßes Mobilitätskonzept. "Wir werden Hausbewohnern und Nachbarschaft ein Carsharing-Angebot und genügend Steckdosen für Elektroautos zur Verfügung stellen ", betont Zelger. Bei Stromüberschüssen im Sommer könne ein Großteil der Ladeenergie über die Photovoltaik auf dem Dach bezogen werden.

Ein Novum wäre der angedachte Ansatz, wonach die Bewohner die Hausverwaltung, organisiert als Verein, selbst übernehmen. Im Energiebereich werden Bewohner zu Praktiken wie der bevorzugten Nutzung von Solarstrom animiert, die zu mehr Energieautonomie führen sollen. Zudem werde man WGs für junge und Wohnformen für ältere Menschen anbieten.

Nicht nur günstige Energiekosten, auch eine Finanzierung, die realistische Lebenszykluskosten der Bauteile in Betracht zieht, soll die Mietpreise niedrig halten. "Üblicherweise werden Sanierungskosten auf 15 Jahre abgeschrieben. Die meisten baulichen Maßnahmen sind aber locker über 35 Jahre und mehr nutzbar", erklärt Zelger. "Die Finanzierung über die tatsächliche technische Lebensdauer wird fürs leistbare Wohnen am meisten bringen." (pum, 9.6.2018)