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Ein Fünftel der weltweiten Werbeeinahmen ging 2017 an Google und Facebook.

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Die vertrackte Ausgangslage

Medien brauchen Geld – als Wirtschaftsunternehmen und um ihre Aufgabe zu erfüllen: eine möglichst realitätsnahe und professionelle Darstellung der Welt und möglichst profunde Erklärungen, warum sie ist, wie sie ist. So könnte man, sehr grob, umschreiben, was Journalistinnen und Journalisten tun oder tun sollten.

Journalismus und Medien finanzierten über Jahrzehnte, Jahrhunderte die Userinnen und User. Direkt über Zeitungspreise und Abos etwa, über Kinokarten oder über staatlich verordnete Rundfunkgebühren und über Zugangsgebühren etwa für Streamingdienste. Weit mehr aber kam herein über die Vermarktung der Aufmerksamkeit der Userinnen und User – für Werbung auf den Seiten und in den Kanälen.

Gratiszeitungen, mehr und mehr rein werbefinanzierte Programme und schließlich auch meist kostenlos zugängliche Onlineplattformen trübten die Zahlungsbereitschaft der Konsumenten.

Und die Dynamik der Onlinemedien zog die Werbebudgets mit – gezielt adressierbar und wegen der heftigen Konkurrenz zudem oft ruinös billig. Wenn die Userinnen und User gegen das zunehmende Bombardement nicht Adblocker dazwischenschalteten – die wiederum gegen Bezahlung doch Werbung durchließen.

Im Zug zur Onlinewerbung, die hier jene in Radio und Plakat, dort jene in Zeitungen überholte und sich schon für die Fernsehwerbung warmlief, wartete aber vor allem ein Problem auf die großteils werbefinanzierten Medien: Das explosionsartige Wachstum der digitalen Werbung ging und geht zum allergrößten Teil an Google mit Youtube, Facebook und, gerade beim Aufholen, Amazon.

Am Mittwoch präsentierte Google-Mutterkonzern Alphabet seinen Jahresabschluss 2017. Gut 95 Milliarden Euro nahm der globale Digitalriese mit Werbung ein. 2012 waren es noch 44 Milliarden – und schon damals war Google der werbestärkste Konzern der Welt. Facebook liegt spätestens seit 2017 auf Platz zwei der weltweit größten Werbeumsätze, zusammengetragen von der Mediaagentur Zenith. Das Social Network steigerte sich von 4,3 Milliarden Werbeumsatz 2012 auf 2017 fast 40 Milliarden. Auch mit Werbung um Inhalte von Medien.

grafik: STANDARD

Ein Fünftel der weltweiten Werbeeinahmen ging schon 2017 an die beiden Konzerne. Die lange die Verantwortung für die transportierten Inhalte zurückwiesen. Und vergleichsweise überschaubar in deren Kontrolle investierten – bis Falschnachrichten, Propaganda und strafrechtlich relevante Inhalte sowie Datenmissbrauch Öffentlichkeit und Politik mobilisierten.

Wünsche und Ziele: Worum es geht

Das ist die Ausgangslage für die Enquete von Medienminister Gernot Blümel (ÖVP). Donnerstag und Freitag besprechen sie dutzende Manager, Interessenvertreter und Branchenkenner in Panels und Arbeitskreisen. Die drei großen Themenblöcke: Inhalte im Interesse der Öffentlichkeit, "Public Value" genannt; das (öffentliche) Geld dafür und für das übrige Mediengeschäft; und "Digitalisierung und Demokratie". Die wird, naturgemäß bei Medienthemen, bis Freitagabend oft bemüht werden.

Medienminister Gernot Blümel (ÖVP) vermisste oft in den vergangenen Monaten einen grundlegenden öffentlichen Diskurs über die Medien und ihre Entwicklung. Die Enquete liefert ihn nun – und die Begleitmusik für die Interessen der Beteiligten.

Und wer will was? Die Wünsche, unverbrämt, im Schnelldurchlauf

Google und Facebook und andere digitale Riesen machten naturgemäß am liebsten weiter wie bisher, mit weiter sprunghaft wachsenden Werbeumsätzen und international optimierter Minibesteuerung. Die Regierung sucht Möglichkeiten der etwas intensiveren nationalen (und europäischen) Besteuerung. Werbesteuer auch auf Digitalwerbung ist da eines der Themen. Denn: Die Regierung (und nicht erst diese) sucht Geld für höhere Förderung von Medien mit erodierenden Werbeeinnahmen.

Zeitungen und Magazine und Onlinemedien drängen etwa auf mehr Presseförderung, die auf fast neun Millionen Euro zusammengeschrumpft ist. Der Zeitungsverband hat sich über weite Strecken verabschiedet von möglichst engen Grenzen für den gebühren- und werbefinanzierten ORF insbesondere im Internet. Inzwischen wollen private Medien einen Teil der Werbeerlöse des – online unter den österreichischen Playern weit aus größten – ORF.

Die Verlage und Sender verhandeln dafür etwa über eine gemeinsame Online-Vermarktungsplattform, die noch im Herbst starten soll. Medienminister Blümel drängte auf Kooperation der österreichischen Medien – etwa in der Vermarktung.

Die Privatsender und insbesondere der größte Player in diesem Sektor, ProSiebenSat1Puls4, wollen Radiokanäle des ORF ins Digitale verlagern und ihre UKW-Frequenzen selbst nutzen, kommerzielle ORF-Beteiligungen beschränken und mehr öffentliche Förderung als die bisher 15 Millionen Euro im Jahr. Ihre Erhöhung dürfte zwischen ÖVP und FPÖ schon akkordiert sein.

ProSiebenSat1-Chef Markus Breitenecker geht mit seinem Konzept Change the Game deutlich weiter. Er spricht von einer Stärkung des Public Value und will die bisher dem ORF (und den Bundesländern) zukommenden GIS-Gebühren umwidmen: Für die Entwicklung gemeinsamer europäischer Social-Media-Plattformen. Und andererseits für Programme im Allgemeininteresse an Privatsender vergeben. Der ORF soll sich auf Kernprogramme in Information und Kultur in dann wohl weniger Kanälen zurückziehen und übernehmen, was Private nicht leisten können oder wollen. Medienminister Blümel, Programm und Besetzung der Enquete zeigen einige Sympathie für Breiteneckers Masterplan.

Der ORF und sein Chef Alexander Wrabetz sind über Jahrzehnte gestählte Selbstverteidigungsprofis im Kampf für GIS-Gebühren, künftig auch für Streamingnutzung, weil die Ausnahme vor allem in Wien für Abmeldungen sorgt. Und gegen Budgetfinanzierung des ORF – mit der die politische Abhängigkeit nicht abnimmt.

Politiker – insbesondere die Regierung – haben neben dem Wohl des Landes und siner Bürgerinnen und Bürger das verständliche Anliegen, dass sie und ihre Botschaften möglichst in ihrem Sinne an das Wahlvolk gelangen. Das lässt sich nicht leicht mit Ansprüchen und Zielen eines unabhängigen Journalismus in Einklang bringen.

Im größten österreichischen Medienunternehmen ORF, mit seiner Umsatzmilliarde so groß wie die vier, fünf größten Verlage zusammen und weit größer als die privaten Fernsehgruppen, bestimmt die Politik die Kontrollorgane und die wiederum die Führung – und die Chefredakteure und Ressortleiter. Monate nach Regierungsantritt bekam das ORF-Fernsehen passende Chefredakteure und Channel-Manager.

200 Millionen Euro und mehr Werbung öffentlicher Stellen mit Fokus auf Massenzeitungen sind, vielfach gewichtiger als Presseförderung, weiterhin ein Mittel zur Beziehungspflege. Das Thema findet sich nicht im Programm der Enquete.

Das Publikum ist auf der Enquete zumindest zugelassen. Ob es mit großer Mehrheit für die Beibehaltung von GIS-Gebühren stimmen würde wie die Schweizer im März?

Was kommt: Zuallererst ORF

Und was kommt nach den Regierungsplänen als Erstes nach der Enquete? Ein neues ORF-Gesetz mit einem Vorstand statt des Alleingeschäftsführers und einem neuen Aufsichtsrat, der enger mit dem neuen Vorstand zusammenarbeiten soll. Budgetfinanzierung statt GIS-Gebühr würde selbst bei einem stark geschrumpften ORF einige hundert Millionen Euro aus dem Bundeshaushalt erfordern. 2019 könnte es an eine neue Medienförderung gehen. Nach steuerlichen und rechtlichen Antworten auf Google und Facebook wird gesucht, in Österreich und Europa. (Harald Fidler, 7.6.2018)