Man stelle sich vor: Sieben Geschwister, verstreut über den Erdball, treffen sich halbjährlich an einem Wohnort in einem der jeweiligen Länder. Die Familientreffen sind, wie sie sind. Die Freude nach langen Monaten der Sehnsucht wird getrübt durch die Meinungsverschiedenheiten, die in jeder Gemeinschaft auftreten. Doch seit einiger Zeit schert ein Geschwisterteil aus. Es überschüttet die anderen nicht nur mit Unfreundlichkeiten, sondern stellt den Familienbund grundsätzlich infrage.

So könnte man die Situation beim G7-Gipfel beschreiben, der ab Freitag in Kanada stattfindet. Sechs Geschwister hätten angesichts stürmischer Zeiten eigentlich genug anderes zu besprechen, als dass sie sich noch mit den hausgemachten Problemen des schwarzen Schafs herumschlagen müssten. Doch Poltergeist Donald Trump lässt bei dem Treffen nichts anderes als eine harte Konfrontation erwarten, zu der die vor dem Tagungshotel Manoir Richelieu aufgestellten historischen Kanonen bestens passen.

Der US-Präsident tanzt den Partnern schon zu lange auf der Nase herum, verärgert sie, schreckt auch vor rüden Attacken nicht zurück. Die Liste der Vorkommnisse wird fast täglich länger: Austritt aus dem Pariser Klimaschutzabkommen, Kündigung des Iran-Vertrags und nun die ständige Eskalation im von Washington angezettelten Handelsstreit, um nur drei wichtige Angriffe zu nennen.

Taten sind gefragt

Das sind längst keine Lausbubenstreiche mehr, denen man mit mahnenden Worten begegnet. Das sind auch längst keine Spielchen mehr, die man damit erklären könnte, dass Trump seine Wähler zufriedenstellen will. Hier geht es um nicht mehr oder weniger als die Frage, ob die führenden Industrienationen in Zukunft auf Zusammenarbeit setzen oder sich das Recht des Stärkeren durchsetzt. Ein üblicher Familienstreit, wie Präsidentenberater Larry Kudlow die Querelen bezeichnete, sieht anders aus. Wer sich so aufführt wie Trump, hat der Familie längst den Rücken gekehrt. Man trifft sich halt noch pro forma, aber nur, um die Fronten zu verhärten.

Und wie geht man nun mit dem Unruhestifter um? Der Worte sind genug gewechselt, jetzt sind Taten gefragt. Vor allem im Handelsstreit und in der Iran-Frage hat Trump andere Staaten offen attackiert. Die potenzielle Sprengkraft von Sanktionen und Strafzöllen wird dabei massiv unterschätzt – schon zeigen sich erste Anzeichen einer nachlassenden Konjunktur, die mit der großen Verunsicherung in den Handelsthemen zu tun haben dürfte. Wer investiert schon in ein neues Werk, wenn unklar ist, ob die erzeugten Produkte im Export nicht mit Strafzöllen belegt werden?

Trump muss endlich klargemacht werden: Wer Wind sät, wird Sturm ernten. Über eine Abschlusserklärung von sechs Ländern – ohne die USA – beim G7-Treffen wird bereits gemutmaßt. Ein solcher Akt wäre höchstens der Anfang, wollen sich die Geschwister nicht als Weicheier entpuppen, deren Schwäche nur weiter ausgenützt würde. Die nächsten Schritte müssen daher schmerzhafter ausfallen. Dabei böten sich Strafandrohungen gegen US-Internetgiganten wie Google, Facebook und Amazon an. Und: eine Intensivierung der Zusammenarbeit jener, die den Konsens hochhalten.

Die verbliebene Staatengemeinschaft muss zeigen, dass die Welthandelsordnung auch ohne die USA überleben kann. Die Familie darf nicht zu Bruch gehen, weil ein Kind ausreißt. (Andreas Schnauder, 7.6.2018)