Jerusalem/Wien – Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) will in der EU ein Umdenken in Bezug auf Israel anstoßen. Es werde oftmals in Europa die Sicherheitssituation Israels "nicht ausreichend verstanden". Er wolle das Thema auch während des österreichischen EU-Ratsvorsitzes "auf die Agenda nehmen", erklärte Kurz gegenüber Journalisten am Sonntag am Rande seines Besuchs in Israel.

"Wir sind Freund und Partner Israels und das bedeutet auch, das Sicherbedürfnis Israels ernst zu nehmen." Die Situation des Landes sei ganz anders als in Europa, wo es friedlich sei. "Ich glaube, dass nicht nur der Kampf gegen Antisemitismus in Europa wichtig ist, sondern dass auch ein ordentliches Bewusstsein für die Situation und die Notwendigkeiten Israels wichtig sind."

Kurz denkt über Netanyahu-Einladung nach

"Es ist legitim, dass die Europäische Union einen besonderen Fokus auf die engere Nachbarschaft hat, aber gerade wenn auf Bomben im Iran 'Tod Israels' geschrieben wird oder Antisemitismus-Wortmeldungen gegen Israel noch immer in der Region auf der Tagesordnung stehen, dann ist das nichts, wo wir als Europäische Union wegsehen dürfen", betonte der Kanzler. Die Einladung von Israels Premier Benjamin Netanyahu zu einem EU-Gipfel, sei "eine Überlegung".

Zur Frage nach einer möglichen Botschaftsverlegung von Tel Aviv nach Jerusalem sagte Kurz: "Wir wünschen uns, dass es eine Lösung am Verhandlungstisch gibt. Wenn es die gibt, dann steht auch einer Botschaftsverlegung nichts im Wege. Derzeit ist das aber kein Thema."

Kein Palästina-Besuch

Die Tatsache, dass Kurz bei seiner dreitätigen Israel-Reise die palästinensischen Gebiete nicht besucht, will der Bundeskanzler als "kein Signal, was unsere Politik betrifft" verstanden wissen. Die Reise im Gedenkjahr und vor der Übernahme des EU-Ratsvorsitzes am 1. Juli habe aber "einen anderen Fokus". Man wolle selbstverständlich die "guten Kontakte" zu den Palästinensern aufrechterhalten. Kurz sagte zu, Ramallah wieder besuchen zu wollen. Zuletzt war er dort vor rund zwei Jahren – damals als Außenminister.

Einen "ausgesprochen guten Kontakt" habe er auch zu Netanyahu, erklärte Kurz angesprochen auf den israelischen Boykott von FPÖ-Ministern. Dies sei eine "Entscheidung Israels, die wir respektieren". Zur Kritik in Bezug auf antisemitistische Vorfälle bei der FPÖ, die Deborah Hartmann während einer Führung in Yad Vashem geäußert hatte, sagte Kurz: Er verstehe, dass es "Emotionen" gibt, die Linie von Yad Vashem sei aber eine andere. Niemand werde in Yad Vashem ausgeschlossen.

Emotionaler Auftritt

Kurz erzählte, dass er bei seinem ersten Besuch in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem mit einem sehr emotionalen Auftritt eines Mannes konfrontiert war, der alle Österreicher als Mörder bezeichnet habe. Als Bundeskanzler sei er überrascht, wie freundlich er – trotz der historischen Verantwortung Österreichs – in Israel empfangen worden sei. Schon im Flugzeug nach Tel Aviv: Er habe noch nie erlebt, dass ihn so viele Menschen freundlich begrüßten.

Bei einem Treffen mit Holocaust-Überlebenden sprach der Bundeskanzler ihnen eine Einladung nach Österreich aus. Kurz wies außerdem auf die positiven Erfahrungen von Jugendaustäuschen hin. Diese seien der Garant dafür, "dass Freundschaft wächst".

Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP), der Kurz nach Israel begleitete, sagte, er sei gegen eine sogenannte "Schlussstrich-Debatte". Die Verantwortung aus der Geschichte müsse man wahrnehmen und weiteren Generationen weitergeben. Er berichtete von Zeitzeugen-Seminaren an Schulen, der Analyse von Schulbüchern und dass mehr als 700 Lehrer an einem Programm von Yad Vashem teilgenommen haben.

"Happy" Premier

Oskar Deutsch, der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde, wertete es als bezeichnend, dass der erste Programmpunkt von Kurz' Israel-Reise der Besuch von Yad Vashem war. "Warum tun wir das", fragte er. Es könne ja nicht sein, dass Politiker die Gedenkstätte nur besuchen, damit der Premier "happy ist". Es gehe vielmehr um ein "Zeichen", in Zeiten, "wo der Antisemitismus in Europa stark steigt, zeigen die Verantwortlichen in der ganzen Welt, dass das ein No-Go ist". Und Deutsch betonte, er sei überzeugt, dass Kurz als Bundeskanzler "alles tut, damit dem entgegengewirkt wird".

Deutsch erklärte weiters, sich "maßlos" zu "ärgern, über die Art und Weise, wie viele europäische Länder Israel sehen." Israel tue "wirklich alles", um Frieden mit seinen Nachbarn zu haben. Er kenne keine Eltern, die ihre Kinder freiwillig in die israelische Armee schicken. "Sie haben es satt, keiner will einen Krieg haben. (APA, 10.6.2018)